Land der Sehnsucht (German Edition)
Fahrer einen sehr großzügigen Lohn dafür zu zahlen.“
„Ja, Madam, das mit dem großzügigen Lohn habe ich schon verstanden. Aber diese Bergbau orte …“ Er betonte das letzte Wort, als wäre es eine Frage. „Ich weiß nicht, wer Ihnen das erzählt hat, aber hier in der Gegend gibt es keine Bergbau orte . Keine zivilisierten Orte, in die eine junge Frau wie Sie fahren sollte. Nein, Madam.“ Er schüttelte den Kopf. „Diese Lager sind rau und schmutzig und unzivilisiert, und ich würde sie auch nicht als nachbarschaftlich bezeichnen. Die einzigen Fahrer, die in diese Lager hinauffahren, sind Gauner, denen ich Sie nie anvertrauen würde. Nicht einmal, wenn ich selbst mitfahren und auf Sie aufpassen würde, und Sie allein sollten schon gar nicht mit diesen Kerlen fahren. Sie würden Ihr zartes Alter ausnutzen, und auch wenn Sie noch sehr jung sind, sind Sie bestimmt alt genug, um zu wissen, was ich damit sagen will.“ Sein Blick sprach aus, was seine Worte nur andeuteten.
Véronique fühlte, wie ihr Gesicht zu glühen begann. Das lag zum Teil an dem Gesprächsthema, aber auch daran, dass sie wieder einmal für viel jünger gehalten wurde, als sie war. Ihr ganzes Leben lang hatten andere Menschen Entscheidungen für sie getroffen, und sie hatte es zugelassen, da ihr nie eine andere Wahl geblieben war. Aber in den letzten Monaten hatte sie erkannt, dass sie eine Wahl hatte. Ihr gefiel diese neue Selbstständigkeit, und sie war nicht bereit, sie freiwillig wieder aus der Hand zu geben.
„Unter diesen Umständen – Sampson brach ab und kniff einen Moment die Augen zusammen – kann ich Ihnen leider nicht weiterhelfen. Ich hätte kein ruhiges Gewissen dabei. Je suis désolé, Mademoiselle Girard“, fügte er mit einer fast fehlerlosen Betonung entschuldigend hinzu.
Véronique wusste nicht, was sie darauf antworten sollte. Er hatte ihre Bitte ohne Wenn und Aber abgelehnt, aber er hatte das auf so liebevolle Weise getan, dass sie ihm daraus keinen Vorwurf machen konnte. Warum tat dann ihr Kinn so weh? Und was war das für eine Hitze, die sich in ihrer Brust regte und zu ihrer Kehle hochstieg? Sie konnte deshalb kaum atmen. Monsieur Sampsons Fürsorge, die bestimmt ernst gemeint war, änderte nichts an den Gründen, warum sie hier war, oder an ihrer Entschlossenheit, ans Ziel ihrer Reise zu gelangen. Anscheinend hatte sie das nicht klar genug herausgestellt.
„Monsieur Sampson, ich war über einen Monat auf einem Schiff und habe das Mittelmeer und den Atlantik überquert und mich um vier Kinder und ihre Mutter gekümmert, die seekrank waren, während mich selbst mehr als einmal auch die Übelkeit übermannte. Danach bin ich in einem Zug gefahren, in dem ich entweder an der schlechten Luft fast erstickte oder an der Asche und dem Staub, der mir ins Gesicht wehte. Nach diesem sehr zweifelhaften Vergnügen wurde ich zusammen mit fünf anderen Fahrgästen in eine Postkutsche gepfercht und über viele Meilen durchgerüttelt, um an diesen … an diesen Ort zu gelangen. Ich habe viel in meine Reise investiert, um jetzt hier vor Ihnen stehen zu können.“ Sie atmete abgehackt ein. Ihr ganzer Körper zitterte. „Und Sie sagen mir, dass Sie sich absichtlich weigern, mir zu helfen? Darf ich fragen warum?“
Sie ballte die Hände an ihren Seiten zu Fäusten und wartete auf seine Antwort, während ihre Worte in ihrem Kopf widerhallten. Noch nie zuvor hatte sie so mit einem Menschen gesprochen, und schon gar nicht zu einem Fremden und einem Mann, der so freundlich war, wie Monsieur Sampson es offenbar war.
Sie senkte den Kopf und richtete ihre Aufmerksamkeit auf den verschmutzten Saum ihres Rockes. Hatte Christophe vielleicht recht gehabt? War sie stärker, als sie sich selbst früher eingeschätzt hatte? Aber sollte sie so etwas wirklich anstreben, wenn dieses Verhalten als „stärker“ definiert wurde? Sie erwartete voll und ganz, dass Monsieur Sampson ihr genauso hitzig antworten würde, wie sie gesprochen hatte. Er hätte allen Grund dazu. Sie hatte impulsiv gesprochen, ohne nachzudenken, und das gegenüber einem viel älteren Herrn, auch wenn sie in Frankreich eine viel höhere Stellung einnehmen würde als er.
Aber als sie das Kinn hob, sah sie nur Freundlichkeit und Mitgefühl in seinen Augen.
„Wann haben Sie Ihren Vater das letzte Mal gesehen, Mademoiselle Girard?“, fragte er nach einer langen Weile. Seine Stimme war über dem Knistern des Feuers kaum zu hören.
Ihr Kinn zitterte. Sie konnte ihm nicht
Weitere Kostenlose Bücher