Land der Sehnsucht (German Edition)
auf ihren Zynismus nicht ein. „Du gehst an diesem Kleidergeschäft vorbei, und ein Hut im Schaufenster lenkt deine Aufmerksamkeit auf sich.“ Er zuckte mit den Achseln. „Du brauchst keinen Hut, du hast überhaupt nicht an Hüte gedacht. Aber trotzdem ist er plötzlich da, und du denkst jetzt darüber nach. Genauer gesagt, kannst du kaum an etwas anderes denken als an diesen Hut.“
Sie musterte ihn, als hätte er plötzlich zwei Köpfe. „Es ist nichts Schlimmes daran, über einen Hut nachzudenken.“
Jack atmete langsam durch die Zähne aus. „Mademoiselle, Ihnen ist bewusst, dass das nur ein Gleichnis ist, nicht wahr?“
Sie schaute ihn fragend an. Dann nahm sie ihr Handtäschchen und zog ihr kleines Buch heraus. Während sie begeistert die Seiten umblätterte, legte Jack die Stirn in seine Hände.
Sie flüsterte leise, während sie las. „Ah …“ Sie blickte wieder auf und strahlte ihn an. „Die Geschichte, die du erzählst, hat Ähnlichkeit mit dem Thema, worum es geht, nicht wahr? Ich werde einen Vergleich zwischen beiden ziehen können, wenn du zum Schluss kommst.“
Jack wagte nicht zu blinzeln. „Das ist meine ehrliche Hoffnung, Mademoiselle.“
Sie sah ihn mit zusammengekniffenen Augen an. „Fahre mit deinem Gleichnis fort, s’il vous plaît.“
„Gut. Wo waren wir stehengeblieben?“
„Ich habe den Hut gesehen“, antwortete sie in einem nicht allzu ernsten Ton. „Ich brauche keinen Hut, aber ich stelle fest, dass ich an nichts anderes als an diesen Hut denken kann.“
Jack unterdrückte den Wunsch, sie zu erdrosseln, was sich im Moment als äußerst schwierig erwies. Er räusperte sich. „Du gehst also in den Kleiderladen, um dich …“
„In die Boutique, meinst du.“
„Was?“
„Den Hut sehe ich in einer Boutique, Jack. In einer Hutboutique. Nicht in einem Kleiderladen.“
Er fuhr sich mit der Hand über das Gesicht. „Meinetwegen. Wie ich schon sagte, du gehst also in den Hutladen und erkundigst dich nach dem Hut. Aber du erfährst, dass du nicht das nötige Geld hast, um ihn zu kaufen. Und dass du auch keinen Anspruch darauf hast, da …“
„Aber wenn ich das nötige Geld habe, um ihn zu kaufen?“
Er seufzte. „Um des Gleichnisses willen, Véronique, sagen wir einfach, dass du nicht genug Geld hast.“
Sie runzelte zwar die Stirn, nickte aber.
„Du hast also nicht nur zu wenig Geld, um den Hut zu kaufen, sondern dir wird darüber hinaus klar, dass du ihn überhaupt nicht kaufen kannst, weil der Hut für jemand anderen bereitliegt.“
„Für wen wird er bereitgehalten?“
„Es spielt keine Rolle für wen . Es geht darum, dass …“
„Denn in den angesehenen Geschäften in Paris wird ein Hut höchstens einen Tag lang zurückgelegt. Wenn man dann nicht mit dem Geld kommt, wird er …“
„Er wird für jemanden bereitgehalten, der der rechtmäßige Eigentümer dieses Hutes ist.“ Er hob den Zeigefinger, um sie an weiteren Unterbrechungen zu hindern. „Obwohl diese Person den Hut noch nicht gekauft hat, obwohl sie ihn noch nie gesehen hat, ist sie der rechtmäßige Eigentümer. Denn als die Hutmacherin diesen speziellen Hut schuf, hatte sie an diesen bestimmten Kunden gedacht. Sie machte ihn ausschließlich für diese Person. Und für niemand anderen.“ Er hielt frustriert inne und fürchtete, er hätte mit seinem Versuch, ihr das Bild lebhafter vor Augen zu malen, alles vermasselt. Er fragte sich, warum er überhaupt versucht hatte, ihr die Sache zu erklären. „Wenn du diesen Hut für dich haben möchtest, nur weil du ihn gesehen hast und weil es im Moment so aussieht, als könnte er gut zu dir passen, wäre das falsch.“ Er schaute sie an. „Folgst du mir überhaupt noch?“
Sie starrte ihn einen Moment an und nickte schwach. Langsam flackerte ein Licht in ihren Augen auf, doch dann erstarb es wieder. „Nein, ich fürchte, ich kann dir nicht folgen. Ich verstehe, dass ich den Hut möchte, und ich kann mir fast vorstellen, dass ich nicht das Geld habe, um ihn zu kaufen, aber hier hört mein Verständnis mit deiner Geschichte endgültig auf.“ Sie tätschelte seine Hand. „Tut mir leid, Jack.“
Jack schloss die Augen, da er sie nicht ansehen konnte, als er weitersprach. „Wenn du und ich über Nacht wegblieben, Véronique, könnte sich die Versuchung ergeben, dass ich dir näher sein möchte … von Zeit zu Zeit.“ Diese Versuchung würde sich auf jeden Fall ergeben, und zwar oft, wenn seine unerwartete Reaktion auf sie in diesem Moment
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