Land Spielen
wie diesem Landbewohner, dessen Freundschaft er bald verspielt haben wird. Weil die Comichefte ausgehen, weil Ralf nicht dazugehört, weil Ralf zu überschwänglich wird. Ralf weiß es, Ralf flucht, Ralf stochert im Heu, Ralf lässt die Schafe blöken und nimmt sich vor, morgen in der Schule so zu tun, als sei nichts gewesen.
Der Sohn des Försters scheint nichts gegen Ralfs Taktik zu haben, man begrüßt sich am nächsten Tag wie jeden Tag und grüßt sich also nicht. Ralf kennt das Spiel gut, mit dem Lehrer übt er es regelmäßig, duzt ihn bei uns zu Hause und tut fremd, wenn Ralf Schüler und der Lehrer Lehrer ist.
Der Lehrer entlässt die Kinder in die große Pause, wie jeden Tag wird entschieden, ob man Prügeln oder Fußball spielt, heute fällt die Wahl auf Fußball. Der einzige Wähler ist der Sohn des Försters, einstimmig wird zugestimmt, ohne Murren teilen sich Mannschaften. Man stürmt aufs Feld, ist Stürmer, ist Mittelfeldspieler, ist Verteidiger, nur einer ist Torwart, beide Mannschaften haben dasselbe Ziel. Alles ist erlaubt außer hohe Pässe, denn der Zaun neben dem Spielfeld ist niedrig und wir wollen nicht schon wieder allein hinter dem Ball herrennen müssen, wollen nicht schon wieder die Spielunterbrechungen überbrücken müssen, indem wir selbst den Abhang hinuntergestoßen werden. Auch wenn der Pausenplatzanführer neuerdings eine heimliche Allianz mit einem von uns pflegt, sind wir uns nicht sicher, ob wir der Sache trauen können. Solange der Ball jedoch im Spiel bleibt, müssen wir wenig Angst haben.
Vor dem einen und einzigen Tor steht Fabian, der sich ungern Mannschaften anschließt. Er lässt sich weder von der einen noch von der anderen bestechen, hechtet mit Vorliebe Toreckschüssen nach, er liebt die Flugzeit, nimmt die harte Landung gern in Kauf. Trägt er Schürfungen davon, freut er sich auf die tadelnden Worte des Lehrers, denen er gelassen entgegensetzen kann, dass es gar nicht weh tue und dass Jod nicht nötig sei.
Auch Ralf spielt heute mit vollem Körpereinsatz: Er bekommt eine Flanke vor die Füße, Angriff von Marc, Ralf verliert den Ball an Marc, Marc zu Florian, Laura greift an, erobert den Ball. Laura zu Simon, Simon versucht, Raum zu gewinnen, das Feld von hinten zu erobern, Marc greift Simon an, Simon zu Ralf, Ralf rennt nach vorne. Jetzt wird er angegriffen, es ist der Sohn des Försters, Ralf will ausweichen, der Sohn des Försters lässt ihn nicht vorbei, Ralf will zur einen Seite, will zur anderen, der Sohn des Försters grinst, der Sohn des Försters ist ein wendiger Zweikämpfer, normalerweise wäre das Leder längst in seinem Besitz. Aber heute will er spielen, heute lässt er Ralf arbeiten, zappeln, trippeln, Ralf will nicht aufgeben, will links, will rechts, geht rückwärts, Försterssohnfüße beginnen, nach dem Ball zu stochern, »Pass!«, ruft Lisa, »Hier!«, ruft Simon, David kommt dazu, die Gegenmannschaft bietet Florian auf und Jasmin, Ralf hat den Ball noch immer, »Was ist mit dir los?!«, ruft Tim, er meint den Sohn des Försters, der ansonsten Sieger jedes Duells ist. Der Sohn des Försters grinst Ralf ins Gesicht. Ralf schwitzt, Ralf arbeitet, er streckt die Brust nach vorne, um den Gegner foulfrei abzudrängen, dieser nimmt den Kontakt auf, Brust an Brust wird gerungen, Ralf hat den Ball längst zwischen die Füße geklemmt, ist außer Atem, spürt den Försterjungenatem am eigenen Hals, bis die anderen Mannschaftsmitglieder es nicht mehr aushalten, sie wollen die Mann-gegen-Mann-Situation auflösen, umringen die beiden, bald treten sechs Kinderfüße auf den Ball ein. Ralf sperrt, David zieht an Ralfs T-Shirt, Lisa stützt sich auf Simons Schulter ab, Simon muss Florian halten, damit er in Ballnähe kommt, Ralf sperrt noch immer, Anna tritt mit Wucht in den Ball, Ralf taumelt nach vorne, muss die Arme zur Hilfe nehmen, um sich am Försterssohn abzustützen, dieser packt Ralf seinerseits an der Schulter, Annas Fuß zwischen Ralfs Beinen angelt sich den Ball, aber da steht auch David, da steht Simon, Florian versucht ihn wegzuzerren, Jasmin unterstützt ihn, und Laura und Tim und Marc und nun auch noch Sarah und ein einziger Klüngel und in der Mitte unser grinsender Gast vom Vortag, der vergessen zu haben scheint, welches Spiel er heute angesagt hat: Ralf und er wälzen sich am Boden, Hände umfassen Schultern, Ralfs Nase und Wange kommen auf der Försterjungenbrust zu liegen, er riecht den Försterjungenschweiß, der Försterjunge windet
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