Land Spielen
sich, dreht sich, Ralf spürt nun die Rückenwirbel, die er gestern aus der Ferne betrachten musste. Der Druck verstärkt sich, was an Florian liegt, der ebenfalls umgefallen ist, an Jasmin und Tim, die den Haufen vervollkommnen, an Sarah, die den Försterjungen an Ralf drückt, es liegt an Stephan, an Lukas, an Natalie, die ihr Verteidigerdasein aufgegeben haben und zum Angriff übergegangen sind, und an Marc, der irgendwann einfach auf den Haufen springt.
Der Ball ist längst vergessen. Nur Lisa scheint sich zu erinnern. Ohne ein Handspiel zu riskieren, hat sie ihn mit Kniearbeit in ihren Besitz gebracht. Dass sie jetzt allein aufs Tor zurennt, scheint niemanden zu interessieren, nicht einmal Fabian, der gelangweilt am Pfosten steht und ihr den Punkt widerstandslos schenkt.
*
Wir spielen Land, stehen wieder in den Wiesen, spielen wieder Heuen. Der Sommer ist groß, die Sommerferien sind lang, genug Zeit und genug Sonne, um Gräser zu kürzen. Einiges haben wir unterdessen gelernt über die Futtergewinnung aus Eigenanbau. Dieses Jahr heuen wir wie die Profis, die am Morgen mit zusammengekniffenen Augen in den Himmel starren (wir auch), die bedächtig nicken (wir auch), die sagen: »Heute könnte das Wetter halten.« Auch wir sagen das, am Vormittag soll geschnitten werden, über Mittag stärken wir uns, am Nachmittag wird das Gras gewendet. Eingefahren wird es morgen oder übermorgen, Hauptsache, kurz bevor die Sommergewitter über uns hereinbrechen. Die Dorfbewohner rauchen Stumpen bei der Arbeit (wir nicht), die Stumpenraucher haben die Sense längst durch einen Rapid ersetzt (wir nicht), die Rapidfahrer bieten ihre ganze Familie auf, um zu rechen und um der Kühe täglich Brot rechtzeitig ins Trockene zu bringen. Auch wir sind froh um Unterstützung, sind aber bloß teilweise froh über deren Verkörperung: Frau Dorflehrerin spielt sich in letzter Zeit viel zu häufig als Helferin auf, und für den Herrn Dorflehrer findet sich derzeit kein Grund, zu Hause zu bleiben. Es sind Ferien, fahrt doch in Urlaub, denkt Vera und nimmt die Mitarbeit dennoch dankend an.
Auf dem Tisch vor dem Haus wird Kaffee ausgeschenkt, wir kneifen die Augen zusammen, nennen das Wetter mit Kennermiene ideal, dann wird dem Dorflehrer eine Lektion im Sensenschleifen erteilt: den Schleifstein immer feucht halten, immer von der Spitze zum Schaft wetzen, den Rhythmus behalten. Der Dorflehrer nickt, lässt Moritz erklären, lässt ihn sein Können zeigen, tadang!, blechern läutet es zum Auftakt des Tagwerkes.
Kaum liegt das erste Büschel Gras, tut Andreas seine Schwäche kund, die Pollen machen ihm zu schaffen, Heuschnupfen, lange werde er es nicht aushalten. Jetzt gehe es noch, denn das Gras ist noch saftig und vom Morgentau feucht. Moritz lacht über das Weichei, mit elegantem Schwung gibt er den Vorarbeiter, er arbeitet sich wiesenaufwärts, schon läuft ihm der Schweiß. Die Zettlerinnen lassen ihm einen Vorsprung, trinken ihren Kaffee aus, beobachten den Bewundernswürdigen, schon legt er die erste Kleidungsschicht ab, arbeitet im Unterhemd weiter, wie wir es von den Dorfbewohnern kennen.
Moritz’ Schweiß perlt, der Dorflehrer arbeitet mit Tränen in den Augen. Auch die Damen machen sich ans Werk, Vera verteilt mit der Heugabel harmonisch die Grasbüschel, Christine bessert mit dem Rechen nach. Pause wird nur gemacht, wenn es gilt, Sonnencreme aufzutragen. Weiße Striemen bilden sich auf Schultern.
Das Wetter hält, die Sonne brennt, die Tage verschmelzen. Schneiden, Mittagessen, wenden, Abendessen, den Rücken durchstrecken beim Feierabendbier, in den Morgenhimmel von Tag Nummer zwei starren, wenden, schon wieder gibt es Essen, arbeiten macht hungrig, Christine beißt in ihr Brot, selten sahen wir sie so zulangen, Andreas schnäuzt sich die Nase, selten war er der Aufgelöste. Dann ruft wieder die Arbeit, Nachmittag Nummer zwei hält wieder Wenden bereit. Wir haben uns gefreut auf die Heidenarbeit, nun kommen Dorflehrer und Frau täglich, nehmen sie uns teilweise ab.
Stoppeln bohren sich in Kinderfüße, die Jüngsten von uns haben Abhärtung beschlossen, weil sie ansonsten wenig zu tun haben. Moritz trägt schwere Schuhe, eine abgesägte Jeans, das Unterhemd hat er längst über ein Gebüsch gehängt. Beim Heuen gibt keiner etwas auf Äußerlichkeiten, den Bauch zieht der Vorarbeiter dennoch ein, während die Stumpenraucher auf den benachbarten Feldern ebenfalls hemd-, aber hemmungslos ihre im Winter getrunkenen Biere
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