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Landgericht

Landgericht

Titel: Landgericht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: U Krechel
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Halt ein! Und er schrieb
Haldt
, schrieb den ersten Buchstaben H viermal so groß wie den letzten, das wacklige, windige T duckte sich schon, und er war doch zufrieden mit seiner Aktennotiz, es kam ihm vor, als hätte er nicht ein Protokoll eines Gespräches mit der Frau seines Kollegen aufgezeichnet, sondern eine Löwin gebändigt, die ihr verletztes Junges vor ihm verbirgt, also für den Akt einer Zähmung (Dressur?) vollkommen ungeeignet war, fixiert auf das Unglück, das sie nun einmal getroffen hatte. Und dabei handelte es sich doch nicht um ein Junges, nun ja, ein Kind, in der menschlichen Sichtweise, sondern um ihren Mann, Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer. Haldt wollte am Abend vielleicht noch mit seiner Frau darüber sprechen, wollte ihre Meinung hören, was sie von einer Ehefrau hielt, die sich für ihren Mann zu einer großen Verteidigungsrede aufschwang, aber er tat es dann doch nicht, seine Frau spülte, nähte noch einen Knopf an einer Manschette an, der lose baumelte, sie schalteten das Radio ein und wieder aus, Wunschkonzert, und dann war der Abend zu Ende, ehe er noch angefangen hatte. Aber er wußte instinktiv, was seine Frau sagen würde, fragte er sie um ihre Meinung. Genau dasselbe wie er, wenn er sich äußerte, aber das tat er ja nicht. (Eheliche Harmonie.) So eine Glucke!, würde sie sagen. Und seine Frau, das wußte er, bekäme auf der Stelle ein knieweiches Zittern, sollte jemals sein Vorgesetzter in Koblenz, der Oberlandesgerichtspräsident, ihn anrufen wollen und nur seine Frau antreffen, ein knieweiches Zittern, das sofort auf die Stimme schlüge, ihn im ganzen, großen, neu erbauten Haus rufen. Nein, sie würde ihn nicht rufen, sie raunte, so daß er am Ton bemerken würde, etwas Außerordentliches mußte geschehen sein. Denn es wäre doch peinlich, wenn der Oberlandesgerichtspräsident merken würde: er mäht den Rasen, er hört nichts, er sitzt in der Badewanne und kann den Hörer nicht in die Hand nehmen, all das würde bewirken, daß seine Frau auf das Höflichste und gleichzeitig auf das Zittrigste ihn verleugnen würde und um Auskunft bäte, wenn es denn paßte, daß ihr Mann, Landgerichtsdirektor Haldt, den Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten in Koblenz zurückrufen könnte. Und all das würde sie artigst auf einem Blöckchen neben dem Telephon notieren. So hatten sie es vereinbart, so tat sie es, und so gefiel es ihm. Er mußte auf dem gleichen Blöckchen kaum jemals etwas für sie notieren, mal hatte die Schwester angerufen oder eine Freundin, und genau deshalb war er eigentlich mit seinem Leben, seiner Position, zu der ja auch die passende Ehe gehörte, zufrieden. Die Ehe, das waren Blicke, die nicht aufeinander gerichtet waren, sondern nach vorn. Wie das bei Kornitzer war, wagte er sich nicht auszumalen.
    Der Landgerichtspräsident schickt auf den mündlichen Auftrag des Herrn OLG. Präs. an das Justizministerium ein Konvolut, bestehend aus:
    3 Dienstlichen Äußerungen,
3 Vernehmungsniederschriften,
2 Zeitungsexemplaren,
1 Aktennotiz.
    Es hat den Betreff:
Verstoß gegen Dienstpflichten
. Die Aktennotiz ist karg und knapp. Sie ist vier Tage nach der Tat geschrieben, die später als ein Vorfall zu registrieren oder zu eliminieren war. Landgerichtsdirektor Haldt schrieb:
Heute
, und das Datum ist der 24. September 1956, also:
Heute, um 10.45 Uhr rief ich Landgerichtsdirektor Dr. Kornitzer auf seinem Dienstzimmer an und fragte ihn, ob er heute sich wohl genug fühle zu einer persönlichen Vernehmung durch mich. Er erklärte zunächst, er habe aus der Unterredung mit Landgerichtsdirektor Brink am vergangenen Freitag entnommen, daß er durch den Herrn Oberlandesgerichtspräsidenten vernommen werden solle. Er habe sich hierüber so aufgeregt, daß er sich nicht in der Lage gefühlt habe, am Freitagnachmittag oder am Samstag sich persönlich vernehmen zu lassen (auch nach Aufklärung des Mißverständnisses nicht durch mich), und bat wiederholt, ihn schriftlich anzuhören, da ihm ärztlicherseits jede Erregung streng untersagt sei und er befürchten müsse, daß seine Nerven einer persönlichen Vernehmung nicht gewachsen seien. Er bat wiederholt, sich mit einer schriftlichen Erklärung zufrieden zu geben, ihm aber genauer anzugeben, worüber er sich äußern solle. Ich erwiderte ihm, daß ich zwar den Auftrag habe, ihn persönlich zu hören, aber trotzdem mit Rücksicht auf sein Vorbringen wegen seiner Gesundheit mich zunächst mit einer schriftlichen Erklärung zufrieden geben

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