Landgericht
eine erstklassige Kopie, wie er meint, 4 große echte Teppiche, auch aus dem Besitz seiner Mutter (ein Täbris, ein Isfahan, ein Uschak, anspruchsvolle, hochnäsige Burschen aus dem Orient, und ein französischer Wollteppich), die in der modernen Wohnung in der Cicerostraße Fremdkörper waren und von denen die verderbende Wirkung der Möbelstücke, auch der Kinder, ferngehalten werden mußte. Und er führt das Porzellan auf (efeugrüne Randbetonung mit goldener Borte), einige Stücke sind restituiert worden, es fehlen noch etwa 80 Stücke, außerdem Figuren und Leuchter aus Porzellan. Aber seltsam, er kommt nicht auf den Gedanken, die feinen Stahlrohrmöbel, die Peddigrohrsesselchen aufzulisten, das Bauhaus-Teeservice mit der stromlinienförmigen Kanne, die strengen Kugellampen von Marianne Brandt, all die hellen, leichten Dinge, die Claire und er angeschafft haben, die verloren gegangen sind. Es ist, als hätten diese in der Zwischenzeit – durch die Vertreibung der Bauhauskünstler – auch ihren Wert verloren. Er kämpft um das Erbe seiner Mutter, aber auch um Claires Schreibmaschine, die sie glücklicherweise durch eine ähnliche hatte ersetzen können.
Und vor allem schmerzt ihn der Verlust des Armbandes mit den Saphiren, das er kurz vor seiner Emigration für Claire hat umarbeiten lassen. Unbedingt möchte er Claire das Armband zum zweiten Mal schenken. (Oder einen adäquaten Ersatz dafür.) Claire dagegen winkt ab: Es ist verloren, Richard, man hat es mir weggenommen. Das will Kornitzer nicht gelten lassen. „In der Restitutionssache Kornitzer gegen Dt. Reich und Stadt Berlin“, schreibt er, „sind die Sachen, soweit möglich, einzeln aufgeführt worden. Es ist eine Sache der Gegenpartei, die Einzelheiten der Ausplünderung durch die Nazis zu ermitteln, da ich 1939 nach Kuba flüchten mußte, um nicht von den Nazis ermordet zu werden.“
Aus dem Hause des Senators für Finanzen in Berlin erhält er die Antwort: –
muß ich die Antragsteller bitten, das Bestehen ihrer Ansprüche nachzuweisen und unter Aufzählung der einzelnen entzogenen Vermögensgegenstände darzulegen, wann, wo, auf welche Weise durch welche Dienststelle des vormaligen Deutschen Reiches eine ungerechtfertigte Entziehung zu Gunsten des Vermögens einer der von mir zu vertretenden Rechtsträger erfolgt ist. In jeder Sache sind die entzogenen Vermögenswerte einzeln genau zu bezeichnen. Dies ist notwendig, da sonst nicht von ‚feststellbaren‘ Gegenständen gesprochen werden kann, hinsichtlich derer allein eine Rückerstattung in Betracht kommt. Die Art und Weise der ungerechtfertigten Entziehung muß genau schlüssig dargelegt werden. (Zeitpunkt, Behörde, Aktenzeichen, Anschrift des privaten Entziehers usw.) Bezüglich des Vermögens der Ehefrau ist es notwendig, die Entziehung in jedem einzelnen Falle darzulegen. Zunächst sehe ich mich genötigt, gegen den geltend gemachten Anspruch Widerspruch zu erheben
.
Kornitzer notiert: „Die Gestapo hat Frau Kornitzer weder bei den Auspeitschungen noch sonstwie schriftliche Quittungen erteilt!“ Aber das ist noch kein Schriftsatz, der Satz muß erkalten, aber wie, wenn der Antragsteller sich aufregt, empört, sein Herz rast. Ja, es ist tatsächlich die Gegenseite, die das Haupt erhebt – und die Schreibhand, abwehrend, parierend, schneidend kühl und beamtenhaft regelmäßig: –
sind bisher weder die Entziehung, noch Anzahl, Art und Güte der etwa entzogenen Gegenstände nachgewiesen. Ich muß daher zu meinem Bedauern beantragen, den Anspruch zurückzuweisen
.
Einige Zeit später, nach vielem Hin und Her, heißt es aus dem Hause des Berliner Finanzsenates:
In der Rückerstattungssache Kornitzer ./. Deutsches Reich beantrage ich, den Antragstellern eine letzte Frist zur Beschaffung der in Ihrem Schreiben vom 16. Oktober 1958 gemeinten Beweisunterlagen zu gewähren und nach deren fruchtlosem Ablauf den Anspruch zurückzuweisen
. Als Kornitzer dieses Schreiben in der Hand hält, beginnt er zu toben. Er will nach Berlin reisen, er will auf den Tisch hauen (welchen Tisch?), er will sein Recht, jetzt sogleich, und zwar zur Gänze. Claire ruft den Rechtsanwalt Westenberger an, der setzt wieder ein Schreiben auf. Kornitzer wartet und wartet, das Eintreffen des Briefträgers ist das Tagesereignis. Er könnte spazierengehen, am Rhein entlang oder auf den Höhen, auf denen jetzt Siedlungen gebaut werden, das täte seiner Gesundheit gut, er könnte mit Claire verreisen, eine Rheinschiffahrt, eine
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