Landleben
wunderschön. Du bist wunderschön, Elsie.»
Weinte sie? «Danke, Owen», brachte sie he aus.
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«Du
bist so nett.»
Zu nett, schien das zu bedeuten. Trotzdem, er konn-
te sich nichts vorwerfen. Ihr Körper, wie ein schlüpfriger,
kühler, sich windender Fisch in seinen Armen, war eine
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gew sen, aber für einen Abend war es Offen-
barung genug.
Gab es noch andere Abende danach? Möglicherweise
gab es noch welche, aber wenn er zurückblickte und sich an
jedes zu wenig beleuchtete Detail zu erinnern versuchte,
schien ihm das nicht der Fall. Ihrer beider Zukunft rückte
schnell näher. Elsie hatte in ihrem letzten Schuljahr einen
anderen Freund, und sie heiratete einen noch anderen Jun-
gen, den sie am lokalen Zweig des Penn State College ken-
nen lernte. Überraschenderweise verließen sie die Gegend
und siedelten sich in der Nähe von San Francisco an. Wenn
Owen sie nicht fortholte, dann eben ein anderer.
Vermutlich waren sie an jenem Abend herumgefahren,
hatten Benzin verbraucht, ließen ihre klopfenden Her-
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zen sich beruhigen und versuchten, sich das, was sie über
einander und über ihr Leben gelernt hatten, mit Worten
begreiflich zu machen, bevor er sie nach Hause fuhr, nach
Brechstown. Es war eine Ortschaft, die schon fast in Ches-
ter County lag, eine Ansammlung ungleichmäßig verteil-
ter Häuser, wie Willow es gewesen sein musste, bevor die
Straßenbahn es zu einem Vorort von Alton machte. Un-
mittelbar hinter den Häusern lagen Felder und Farmge-
bäude, Scheunen, weiß gekalkt von den Amish-Besitzern,
und Silos, die aus braun lasierten übergroßen Backsteinen
gemauert waren. Mr. Seidels Futtermittel- und Eisenwa-
renhandlung, mit ihrer Laderampe und den karierten Puri-
na-Plakaten, befand sich zwischen der Tankstelle und dem
Barbier, einem ländlichen Einmannbetrieb, der geschlos-
sen war: Die gestreifte Stange drehte sich nicht. Samstags
bediente Elsie die Kunden im Geschäft, und Owen hatte
dort mehr als einmal ihrem Vater die Hand geschüttelt. Mr.
Seidel war ein muskulöser Mann, beinahe schon fett, und
obwohl er achtzig Pfund schwere Futtermittelsäcke auf
die Lastwagen der Mennoniten und die Pferdewagen der
Amish lud, trug er ein Oberhemd und eine Krawatte mit
einer goldenen Nadel. Er ergriff Owens Hand mit einem
geübten Vorschnellen seiner Hand und blitzte ihn mit ei-
nem verschmitzten Lächeln unter einem kleinen, gerade
geschnittenen Schnurrbart an. Sein Haus stand eine Vier-
telmeile entfernt, oben an einer knirschenden Zufahrt, ein
altes Farmhaus wie das, in dem Owens Familie wohnte,
aber übertrieben renoviert. In einem neuen Anbau befand
sich unten eine Doppelgarage und oben ein Wohnzimmer
mit einem Fernsehapparat und eingebauten Lautsprechern
und Möbeln, die alle zueinander passten; der Anbau war
mit Aluminiumblech verkleidet. Das ursprüngliche Farm-
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haus war nicht aus Sandstein, sondern aus Kalkstein, denn
das war der Stein, den die Erde hier, an der Grenze nach
Chester County, hergab.
Als er und Elsie sich gute Nacht sagten und küssten,
war da wieder nicht das Verschmelzen, obwohl er sich die
Freiheit nahm, ihre Brüste zu streicheln, als sie sich zu ihm
hinüberbeugte, bevor sie ausstieg. Owen hatte das Gefühl,
versagt zu haben, aber niemand konnte ihm seinen ge-
stohlenen Schatz wegnehmen – wie «weit» Elsie «gegan-
gen» war, bevor sie ihn zurückgelassen hatte mit einer Art
Heimkinofilm, den sein Kopf auf einem wackligen Projek-
tor immer wieder abspielen konnte, nicht nur, wenn er im
Bett war, sondern auch in nach innen gerichteten Momen-
ten bei Tageslicht, wenn Einzelheiten und Teilchen von
ihr aufflackerten – ihr Shampoo, ihr pochendes Herz, das
wie ein Fremder war, der auf der anderen Seite einer Tür
anklopfte, ihre überraschend biegsame, nachgebende und
sich dehnende Taille.
Phyllis Goodhue war also nicht die Erste, für die er sich in-
teressierte, obwohl Owen zugegebenermaßen selbst nach
Maßstäben der unschuldigen fünfziger Jahre ein unschul-
diger junger Mann war. Nachdem Elsie ihn zu weit in den
Wald gelockt hatte, betrachtete er Sex als etwas, das auf-
geschoben werden sollte, bis er Platz dafür gemacht hatte
und sich nicht davon eingeengt fühlte. In seinem ersten
Studienjahr hatte er sich eingeengt gefühlt durch seine An-
strengung, nicht zu versagen und nicht wieder dem Acker-
land und seiner freudlosen Familie ausgeliefert zu sein. Zu
Hause
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