Landleben
nervig.
«Du bist zu sehr aufs Praktische aus», sagte sie zu ihm.
«Mr. Klein möchte, dass wir darüber nachdenken, wie wir
denken. Unser so genanntes Denken ist unordentlich, mit
vielen kleinen Determinierungen, die mehr oder weniger
gleichzeitig wirken. Maschinen dagegen haben keine Intui-
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tion, keinen Berg von Erfahrungen hinter sich. Normale
menschliche Unlogik funktioniert bei ihnen nicht. Für Ma-
schinen ist nur das offensichtlich, was ihnen absolut deut-
lich gemacht wird.»
«Sie können nur tun, was wir ihnen zu verstehen befeh-
len, wie Lady Lovelace sagt.» Er ahmte Klein nach, diese
seidige Verkörperung von Intelligenz, der mit einem nach
innen gezogenen Vibrieren sprach, als kränke jedes lau-
te Wort sein zartes Gehirn. «War sie nicht erstaunlich, für
eine Frau damals?», fügte Owen lahm hinzu; er versuchte
in dem Korridor mit ihr Schritt zu halten, wich seitwärts
aus, wurde angerempelt, während Phyllis schwebend an
seiner Seite ging. «Sie war vielleicht eine Nummer», sagte
er dann, ein Witz, der möglicherweise den Flirtgeschmack
in seinem Mund verdünnen sollte, denn indem er Ada
Lovelace, Lord Byrons Tochter, die Charles Babbage zur
Hand ging, im Zusammenhang mit der Erfindung der ana-
lytischen Maschine, zur Sprache brachte, hatte er gehofft,
dieser an eren
d
mathematisch eingestellten
eib
w
lichen
Person zu schmeicheln.
«Das war sie», war Phyllis’ nüchterne Antwort. Sie drif-
tete schon davon, es war ihm nicht gelungen, sie für sich
einzunehmen. Inzwischen waren sie in dem nummerier-
ten Labyrinth bei Raum 7 angelangt, der Eingangshalle
mit den zehn Säulen, von der rechtwinklig Wege abzweig-
ten. Als sie sah, dass sich ihre Wege trennten, und sich klar
machte, dass dieser Fremde sich bemüht hatte, schlug sie
einen lebhafteren Ton an: «Hat es dir nicht gefallen, wie er
heute das Diagramm für Schlussfolgerungen gezeichnet hat?
All diese ‹eleganten› Formeln für etwas, das so offensicht-
lich ist, dass wir alle es wissen, ohne darüber nachzuden-
ken?»
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Er durfte sie nicht verlieren, er musste sich zu ihr er-
heben, mit irgendeiner Provokation, etwas, das zu einer
nä
t
chs en Begegnung führen würde. «Bist du nicht aufs
Praktische bedacht?», fragte er.
Die beiden standen reglos in dem Strom eingemummter,
pickliger, lärmender Gestalten, die zu ihrem nächsten Kurs
hasteten. «Ich glaube nicht», sagte sie mit ihrer sanften,
verklingenden Stimme. «Ich mag das, was rein und nutzlos
ist.» Sie zuckte die Schultern, leichthin, wie um sich für
ihre ganze Person, die ganze Länge ihres blassen, rosa ge-
tönten, scheu getragenen Körpers zu entschuldigen.
«Das ist schön von dir», sagte er. Es war ihm einfach so
herausgerutscht, ein zu grobes Kompliment – er sah sie
zusammenzucken. Owen beeilte sich, den Schaden einzu-
dämmen: «Hör zu. Lass uns mal einen Kaffee zusammen
trinken – hättest du Lust?»
Er sah, in dem verstärkten Licht des überkuppelten
Raums, dass er ihre Bürden noch vermehrte – sie wehrte
schon viele Verehrer ab, viele potenzielle Kaffeepartner. Er
versuchte es wieder mit einem Witz, den er der gerade ge-
hörten Vorlesung entnahm, wo es um die Turingmaschine
gegangen war. «Das ist keine Wenn-dann-Konstruktion»,
versicherte er Phyllis. «Es gibt keine notwendigen Konse-
quenzen. Eher ein n plus eins. Du bist n , n für ‹weiß alles›, und ich bin eins, was so viel heißt wie ‹Simpel›. Ich bin
einfach ein Landei mit einem Stipendium und bin ganz
versessen darauf, dich –» – er bediente sich eines weiteren
Begriffs aus der Vorlesung, aus Kleins abschließenden Be-
merkungen – «nach ‹primitiv-rekursiven Funktionen‹ zu
fragen.»
«Darum wird sich alles drehen, um primitiv-rekursive
Funktionen», prophezeite sie und wandte sich ab, nach-
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dem sie einen flüchtigen Blick nach oben auf die Uhr ge-
worfen hatte. Es gab, wie er lernen sollte, einen charakte-
ristischen Blick, eine bedauernde Fröhlichkeit im Moment
der Trennung, den sie ihm über die Schulter zuwarf; nie
war sie reizender, nie war ihr Lächeln zärtlicher, als wenn
sie Lebewohl sagte. «Und ich e
w iß nicht
alles»,
sagte sie
noch und ließ seine direkte Frage unbeantwortet.
Aber als der Winter sich über die Universität legte, traf
sie sich mit ihm zum Kaffee und dann zu mehr. Warum?
Was mochte sie an ihm? Sie war ein Jahr älter als er, so wie
Elsie ein Jahr
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