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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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böse. Wenn er
    böse war, lief er im Gesicht dunkel an, keine Ahnung, i
    w e er
    das eigentlich angestellt hat, aber es machte mir Angst.»
    Mit ihrem hellen und leidenschaftslosen Gesicht ver-
    suchte sie, Ralphs tödlichen Blick nachzuahmen, und es

    119
    war ein bisschen so, als würde man billiges Bier in ein kris-
    tallenes Weinglas gießen. Owen dachte zum hundertsten
    Mal, welches Glück er hatte, mit ihr zusammen zu sein,
    selbst wenn es nur für den Augenblick war. Er lernte durch
    sie. «Und ich?», fragt
    e er. «Bin ich auch derb und ein-
    fach?»
    «Owen, angle nicht nach Komplimenten. Du bist ein
    Vogel.»
    Als Mädchen hatten sie und ihre Freundinnen an der
    Buckingham School, in der unschuldigen Grausamkeit ih-
    rer Jungmädchen-Clique, Menschen nach drei Typen ein-
    geordnet – Vögel, Pferde und Muffins. Owen begriff das
    nicht ganz, so wie er auch das Ritual, das sie beschrieb,
    nicht begriff; sie hatte es sich angewöhnt, als sie dreizehn
    war oder so: Wenn sie im Bett lag und nicht einschlafen
    konnte, ließ sie ihre Augen mit religiöser Strenge auf jeder
    der vier Ecken der Zimmerdecke ruhen. Es bedeutete ihr
    mehr, als sie sagen konnte, oder sagen wollte.
    «Ein süßer kleiner Vogel?», fragte Owen. «Piep, piep?»
    «Nicht so», sagte Phyllis und zog zu seinem Entzücken
    in feierlicher Konzentration die Lippen zusammen, sodass
    sich die ungeschminkte Haut kräuselte. Einen Schmoll
    mund machen heiße das, erklärte sie ihm, als er ihr liebe-
    voll diesen Gesichtsausdruck beschrieben hatte. Jetzt sagte
    sie: «Ein großer, träger Vogel, der den ganzen Tag kreisend
    in der Luft schwebt, kaum die Flügel bewegt und dann
    plötzlich auf seine B ut
    e e niederstöß .»
    t
    «Oje! Dann muss ich ja zum Fürchten sein.»
    «Nicht mehr als alle anderen auch. Kill, kill, kill, kill,
    kill, kill», sagte sie. Sie erklärte: «Ist aus Shakespeare», und
    fügte hinzu: «Schon wenn du Mundwasser benutzt – denk
    an all die Mikroben, die du tötest.»

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    «Ich bin schockiert», sagte er, «dass du dir vorstellen
    kannst, ich könnte je etwas töten. Ich kann nicht mal auf
    eine Spinne treten. Ich fürchte mich vor ihnen.» Dennoch
    war er sehr angetan von ihrer Beschreibung, weil sie ihm
    ein zupackendes, kraftvolles Wesen zusprach, während er
    sich doch in seinem Innersten als unschuldigen Zeugen
    sah, auf den Handelnde einwirkten, der aber nicht selbst
    handelte. Er schmiegte sich enger an Phyllis’ kühle Wärme
    und fragte: «Und du? Was bist du? Das vergesse ich immer
    wieder.»
    Sie scheute sich, von sich selbst zu sprechen, als müss-
    te sie dann einen zu empfindlichen oder genierlichen Teil
    ihres Körpers berühren oder als wäre ihr Ego schwer zu lo-
    kalisieren. «Kein Pferd», sagte sie. «Ich sehe aus wie ein
    Vogel, aber inn

    erlich bin ich in Wirklichkeit ein Muffin.»
    «Ganz bestimmt nicht.»
    Sie war gekrankt. «Ein Muffin zu sein, ist gar nicht so
    schlecht. Sie nehmen bereitwillig hin. Sie sind nicht kon-
    traproduktiv. Sie tun niemandem weh.»
    Er sah sich, wie er in ihrer Vorstellung niederstieß, ein
    dunkles Ding mit der Macht wehzutun. «Auch nicht ande-
    ren Muffins?»
    «Sie begegnen keinen anderen Muffins. Muffins sind zu
    selten. Die meisten Menschen sind Pferde, die durchs Le-
    ben trotten.»
    Er lachte über die subtile Prahlerei. Sie bewertete sich
    recht hoch, aber in so subtilen Begriffen, dass sie fast über
    seinen Horizont gingen, wie höhere Mathematik, oder wie
    die grammatischen Feinheiten einer fremden Sprache.
    Sie hatte genug von der Selbstenthüllung und kam auf
    ein früheres Thema zurück: «Ich habe meinem Vater den
    unerfreulichsten Brief von Ralph, den mit den schlimms-

    121
    ten Drohungen, gezeigt, und Daddy h
    at ihm geschrieben
    und mit juristischen Schritten gedroht.»
    Owen war erleichtert, dann würde er selber sich nicht
    darum kümmern müssen. Noch hatte ihr Vater die Verant-
    wortung. «Oh , gut. Und hat er das Ekel zum Schweigen
    gebracht?»
    «Das w e
    iss n wir noch nicht. Es war erst vor ein paar Ta-
    gen.»
    «Mein armer Engel, du steckst noch mittendrin. Sag,
    musste dein Vater auch an andere Freunde von dir schrei-
    ben?»
    Er hatte sie zum Lachen bringen wollen; er hatte nicht
    erwartet, dass sie darüber nachdachte. «Letztes Jahr war
    da einer, aber da war es seine Idee, nicht meine. Ein Jun-
    ge – eigentlich ein Mann, er war älter als ich –, ich hab ihn
    den Sommer über oft getroffen, und meine Eltern fanden
    ihn

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