Landleben
bald der Vergangenheit
angehören. Die Speichereinheit von Whirlwind arbeitet
schon mit Magnetkernen statt Röhren. Lochkarten werden
durch Magnetbänder ersetzt. Bell Labs hat etwas entwi-
ckelt, das Transistor genannt wird und das die Schaltungen
mittels Halbleitern aus Streifen von Silizium und dotier-
tem Germanium macht. Die Schaltkreise der Zukunft sind
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Dünnschi
n
cht-Ebe en. Nicht mehr lange, dann haben wir
Computer, die nicht größer sind als ein Kühlschrank.»
«Und fliegen mit hauchdünnen Flügeln zum Mond»,
höhnte Jake. Owen fragte sich, ob ihr gemeinsames Losge-
hen gegen Jake auf Antisemitismus hinauslief, doch Jakes
hartnäckige Angriffslust schien sie dazu aufzufordern, es zu
genießen. Er sagte: «Es gibt molekular bedingte Grenzen
bei der Herstellung von Dünnschicht, und die sind bereits
erreicht. Ihr kommt nicht drum herum, Jungs und Mädels,
Computer sind im Wesentlichen klappernde Energiefres-
ser, so teuer, dass sie sowieso immer nur einen Kunden
haben werden, und das ist Uncle Sam. Guckt euch doch
UNIVAC an. Remington Rand hat endlich die Macken
rausgebügelt, die meisten wenigstens, und jetzt können sie
ihn nicht e
v rkaufen. Die laufen so heiß, dass man Trocken-
eis in die Kabelkanäle tun muss.»
«Na ja», erklärte Owen so sanft wie möglich, bemüht,
Phyllis nachzuahmen, «UNIVAC hat richtig auf Eisenhow-
er getippt, nicht auf Stevenson. Und zwar so früh, dass kei-
ner es geglaubt hat; die Sender hatten das
e
Erg
s
bni und
haben es nicht gesendet!»
«Den Ausgang von W hlen
a
vorauszusagen ist ein Gag»,
sagte Jake.
«Die ersten Flugzeuge waren Gags. Die ersten nicht von
Pferden gezogenen Wagen», sagte Bobby Sprock mit ge-
quältem Gesichtsausdruck und dem Beinahestottern eines
Menschen, der das Gefühl hat, alle guten Argumente in ei-
ner Diskussion lägen bei ihm. «Das erste T-telefon, hier in
Boston!»
«Analoge Computer, das verstehe ich ja», räumte Jake
ein, seine Zunge erkühnt durch das Stammeln seines Geg-
ners. «Verstärker, Differenzierschaltung – das nenne ich
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Elektrotechnik. Aber dieses digitale, binäre Zeug ist Spiel-
kram – und nur einen Schritt weg von Kinderspielen wie
Tick-Tack-Toe.»
«Jacob, du bist wirklich komisch», sagte Phyllis, ohne zu
lächeln. Owen hörte den weichen, vertrauten Ton, mit dem
sie sich an ihn wendete, und spürte – ein Stich, der ihm
direkt durch die Brust ging –, dass diese beiden mit Ge-
wissheit nicht nur als Freunde verbunden waren. Sie war
der passive, negative Pol in einer Reihe von Verbindungen,
die unter Starkstrom standen: Diese Schlussfolgerung,
hier in dem Schaltkreis dicht beieinander sitzender Körper
und ihrer wuschelig wollenen Hüllen, um einen kleinen
Tisch gedrängt, auf dem die sojagetränkten Überreste ei-
nes chinesischen Essens herumstanden, unterbrach nicht
den Kontakt zu seiner gut isolierten Überzeugung, dass
der Lauf ein
s
es Lebens durch dieses b
i
est mmte Mädchen,
diese Frau fließen musste.
Dass sie nicht in dem Moment geboren worden war, in
dem er sie das erste Mal erblickte, dass er sie inmitten von
Bindungen antraf, alten wie neuen, hätte ihn verschreckt,
wäre er nicht in einem Zustand der Betäubung zu einem
einfachen Werkzeug in der Hand einer planvollen Natur
geworden. Ihre Körper wussten, dass sie gute Kinder ma-
chen würden. Inmitten des studentischen Gewoges und
Geschnatters waren sie verwandte Exoten, behütete Kinder,
die nach Realität tasteten, einzigartig in einem Stolz, den sie
nicht ausdrücken konnten, begabt, aber mit Mängeln behaf-
tet, abseits von den anderen. Sie versprachen einen frischen
genetischen Anfang, den Beginn wirklichen Lebens. Er hat-
te keinen Anlass zu Eifersucht. Wie Computer wissen, ist
die Vergangenheit lediglich ein Speicher, auf den man nur
zurückgreift, wenn die gegenwärtige Kalkulation es erfor-
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derlich macht. Als sie dann wirklich allein miteinander wa-
ren, fragte er nicht nach mehr Informationen, als sie freiwillig
gab, und sie war vage. «Oh, ein paarmal bin ich mit diesem
Mann von der Projektiven Geometrie ausgegangen, aber das
war letztes Frühjahr, und ich habe keine Ahnung, warum er
der Meinung ist, dass ich ihm etwas schulde. Ich glaube
nicht, dass es mit etwas zu tun hat, das ich gesagt habe.»
«Woher weißt du, dass er glaubt, du schuldest ihm et-
was?»
«Er schickt mir dauernd unerfreuliche Briefe. Er ist sehr
böse,
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