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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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schließlich Philadelphia, aber hier hieß sie Mifflin
    Avenue, nach dem streitsüchtigen ersten Gouverneur des
    Keystone-Staats. Drei Meilen in die andere Richtung lag
    Alton, eine Stadt mittlerer Größe – Alton mit seinen Fa-
    briken aus schwarz gewordenen Backsteinen unmittelbar
    zwischen den Reihenhäusern, seinen Eisenbahngleisen,
    die das Stadtzentrum zerschnitten, seinem Rotlichtvier-
    tel, Pussy Alley genannt, seinen mit Eternit verkleideten
    Eckbars, seinen Lichtspielpalästen von pseudoislamischer
    Pracht und seinen lauten, miesen Restaurants. Sein Va-
    ter nannte sie «Wucherlokale». Sein Vater mochte es gar
    nicht, wenn er auswärts essen musste, er mochte es nicht,
    bedient zu werden, vor allem nicht von Männern, die in

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    der Regel, so empfand er es, besser bezahlt und aggres-
    siver waren als Kellnerinnen, er mochte kein aufwendi-
    ges Restaurantessen, das er manchmal, als Zeichen seiner
    Verachtung, wieder von sich gab, er mochte keine Nach-
    speisen, keine Mehrwertsteuer, keine Trinkgelder. Owens
    Mutter, immer übergewichtig, außer in den frühesten
    Erinnerungen ihres Sohnes, liebte gutes Essen und saß
    verschüchtert und aufbegehrend am Tisch, während ihr
    Mann ihr systematisch die Freude verdarb. So wenigstens
    schien es ihrem einzigen Kind, das das Ehedrama aus be-
    schränktem Blickwinkel betrachtete: Obwohl sein Haar so
    stumpf und unaufregend braun war wie das seines Vaters –
    und so fein, dass es sich aufrichtete, wenn sie die Mütze
    abnahmen oder in der Nähe eines Ventilators saßen –, galt
    seine Sympathie immer der Mutter mit ihrem kastanien-
    roten Haar. Doch seines Vaters Angst, plötzlich kein Geld
    mehr zu haben, nistete sich tief in ihm ein und nagte an
    ihm. Vielleicht war es kein Zufall, dass die Wanderung
    seines Lebens ihn in nordöstliche Regionen führte, in
    ein Gebiet s
    e
    teinig n, kargen Bodens und des knauserigen
    Umgangs mit Geld.
    In Pennsylvania lagen die aus Sandstein gebauten Gast-
    häuser – Keime von Ortschaften, von denen manche ge-
    diehen und sich ausdehnten, während andere zu einem
    armseligen Häufchen verkamen – in einem Abstand von
    etwa drei Meilen, die Entfernung, die man in einer Stunde
    zu Fuß zurücklegen oder die ein Pferdegespann an einem
    Sommertag einen beladenen Wagen ziehen konnte, bevor
    die Pferde getränkt werden mussten. Das Leben auf den
    Farmen bestimmte noch die Zeit. Die alten Leute mach-
    ten in der Mitte des Tages ein Nickerchen. Auf der Straße
    verkauften die Nachbarn einander Spargel, Bohnen und
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    Tomaten, die sie in ihren Gärten gezogen hatten, und die
    Mifflin Avenue mit ihrer hohen Kuppe, die bewirkte, dass
    das Regenwasser im Rinnstein rauschte, hallte morgens
    wider von dem trägen Hufeklappern der Pferde, die Wa-
    gen zu dem eine halbe Meile entfernten Markt jenseits der
    Durchgangs Straße, der Alton Pike, zogen; die hatte in der
    Mitte Straßenbahnschienen. Als Owen 1933 zur Welt kam
    und, in Ermangelung eines anderen Zuhauses, in das Haus
    seines Großvaters in Willow gebracht wurde, war Roosevelt
    noch frisch im Amt, und der Ort, benannt nach einem rie-
    sigen alten Baum direkt neben dem Gasthaus, dessen Wur-
    zeln ihr Wasser aus dem Creek bezogen, der sich in Rich-
    tung Philadelphia schlängelte, war als Bezirk eingemeindet
    worden. Neue Straßen, parallel zur Mifflin Avenue, waren
    entstanden – Second Street, dann Third Street und Fourth
    Street kletterten einen Hügel hinauf, den die Kinder im
    Winter auf fest gepresstem Schnee mit Schlitten hinun-
    terfuhren, um dann über die abgesperrten Kreuzungen
    zu donnern, bis die Fahrt unter flirrenden Funken auf ei-
    nem Bett aus Asche endete – städtische Arbeiter hatten sie
    von einem Lastwagen geschaufelt. Die Funken, der feste
    Schnee, die Weihnachtsbäume in den Wohnzimmern den
    ganzen Weg zur Schule hin – all dies dauerte nur ein paar
    Tage, eine Unterbrechung des trüben, nasskalten Winters,
    aber es begründete Erinnerungen, die das ganze Jahr hin-
    durch anhielten und in der virtuellen Ewigkeit eines Kin-
    des die Zeit vorantrieben.
    Das warme Wetter dauerte von März bis Oktober. Dunst
    legte sich über Willow. Von Owens kleinem Zimmer mit
    den holzgetäfelten Wänden und dem einen Bücherbord
    blickte man auf ein unbebautes Grundstück, wo er oft mit
    den anderen Kindern aus der Nachbarschaft spielte, in der

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    Stunde nach dem Abendessen im Sommer, in milchigem
    Zwielicht; das lange Gras war stachlig, drauf und dran,
    sich

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