Landleben
auszusäen. Fungo, Dosenwerfen, Touch Football: Die
Mädchen spielten alles mit, denn in der Nachbarschaft
gab es mehr Mädchen als Jungen. Einmal fand Owen in
dem struppigen, flachen, vom Tau nassen Gras – denn es
war Herbst, und die Schule hatte wieder begonnen – seine
Brille in dem braunen Etui mit dem Schnappverschluss,
die ein paar Tage vorher verschwunden war. Gefunden! Er
hatte überall im Haus gesucht, und seine Mutter hatte ihm
anvertraut, welch ein Kummer es für seinen armen Vater
wäre, wenn er eine Ersatzbrille bezahlen müsste. Es war
ein Wunder, so kam es dem Kind vor, als es sich bückte
und das Etui in die Hand nahm, feucht von den Tagen
und Nächten, in denen es geduldig darauf gewartet hat-
te, dass der Junge es fände. Drinnen, ja, da war die Gold-
randbrille, die sein Sehvermögen schärfte, mit den kleinen
bohnenförmigen Plättchen, die Abdrücke auf seiner Nase
hinterließen, und den gebogenen Metallbügeln, die hinter
seinen Ohren drückten. Als man ihm in der zweiten Klasse
gesagt hatte, dass er zum Lesen und im Kino eine Brille
tragen müsse, hatte er geweint. Eines Tages, so tröstete er
sich, würde er aus der Brille herauswachsen. Vielleicht war
es kein ganz richtiges Wunder, dass er sie gefunden hatte,
denn er benutzte den diagonalen Weg durch das Unkraut
jeden Tag, wenn er zu Buddy Rourke ging, seinem Freund
aus der Klasse über ihm, damit sie zusammen zur Schule
gingen, abseits von dem Mädchenschwarm aus der Second
Street. Buddy hatte keinen Vater, wodurch er merkwürdig
und etwas beängstigend war. Er war launisch, und seine
Augenbrauen wuchsen in der Mitte zusammen. Er hatte
glattes, borstiges Haar, das nach vorn abstand, und einen
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Mund, der nie lächelte, wegen der Zahnspange, einem
glänzenden Metallbügel mit einem Silberviereck in der
Mitte eines jeden Zahns. Owen wollte zurücklaufen und
seiner Mutter sagen, dass er seine Brille gefunden habe
und dass sein Vater nicht für eine neue bezahlen müsse,
aber er wollte auch nicht zu spät zu Buddy kommen, und
so hastete er weiter, und das gefundene Etui machte die
Tasche seiner Knickerbocker feucht, sodass die Haut an
seinem Oberschenkel kribbelte.
Von derselben Seite des Hauses, jenseits des unbebauten
Grundstücks, hörte Owen an einem anderen Morgen den
Knall eines Schusses. Er hatte noch geschlafen. Es war, als
wäre er in dem Moment aufgewacht, bevor er wie in einem
Traum den Knall, der ihn weckte, gehört hatte. Er hatte
genügend Gangsterfilme gesehen, um das Geräusch explo-
dierenden Schießpulvers zu kennen, aber im Film hörte
man es in Wellen von Maschinengew
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ehr euer,
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wäh end
dies ein einzelner, einsamer Knall war.
Auch seine Eltern hatten es gehört, denn sie regten sich
in ihrem Schlafzimmer, hinter der geschlossenen Tür, und
die beiden Stimmen, männlich und weiblich, verwoben
sich und verstummten dann wieder. Es war draußen nicht
mehr ganz dunkel, die Bäume im Garten waren als Silhou-
etten erkennbar, ihre Formen ragten in das gleichmäßig
graue, zum Himmel hin leicht gelblich braune Licht, bevor
die Vögel zu zwitschern anfingen. Die Straßen waren still,
kein Verkehr, nicht einmal ein Farmfahrzeug. Später hörte
er eine Sirene, und noch später die Nachricht, von seinem
Vater beim Frühstück berichtet – er hatte auf der Straße
schon die Neuigkeit in Erfahrung gebracht –, dass ein jun-
ger Mann im Haus der Hoffmans, zwei Häuser hinter dem
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Haus neben dem unbebauten Grundstück, sich mit einem
Armeerevolver, einem Colt .38, den Wes Hoffman aus sei-
ner Zeit im Großen Krieg aufbewahrte, erschossen hatte.
Danny Hoffman war noch nicht zwanzig, aber bei einem
Sommerlager hatte ein Kind, das unter seiner Aufsicht
stand, einen Kopfsprung ins flache Wasser gemacht und
sich das Genick gebrochen, und das Verantwortungsgefühl
hatte Danny verfolgt, obwohl es schon im vorigen Sommer
passiert war. Er war nie wieder derselbe gewesen, er blieb
im Haus und hörte sich Hörspielserien im Radio an und
hatte aufgehört, sich Arbeit zu suchen.
Das war also die Erklärung. In den zwölf Jahren der De-
pression und des Zweiten Weltkriegs, also von 1933 bis 1945,
war es das dramatischste Ereignis in Owens Nachbarschaft.
Die Frau auf der anderen Straßenseite, Mrs. Yost, hatte
in ihrem vorderen Fenster eine Flagge mit fünf Sternen,
aber alle fünf Soldatensöhne kehrten in bester Verfassung
zurück. Skip Potteiger
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