Landleben
ungezupft
und strichgerade über ihren Augen, ihren vollen Mund,
gespannt und im Moment leicht verzogen durch ein un-
freiwilliges Lächeln. Er fühlte sich abrupt zugelassen zu
einer zu großen Intimität, in der er in Gefahr war, lediglich
herumzuplappern. Um etwas zu sagen, sagte er das, was
ihm als Erstes in den Sinn kam: «Vermutlich fragst du dich,
wieso ich je eine andere Frau ansehen konnte, wenn doch
Phyllis so reizend ist.»
«Wir wissen, dass du sie reizend findest, das ist richtig
rührend. Und ich nehme an, sie ist es auch, aber ehrlich ge-
sagt ist sie nicht mein Typ – zu intellektuell. Sie ist nie von
der Universität losgekommen. Aber hier wundert sich nie-
mand über das, was du erwähnt hast. Sie schert sich einen
Dreck um dich. Sie interessiert sich für keinen, ehrlich, au-
ßer für ihre Kinder – bis zu einem gewissen Grad. Sie ist so
ungefähr die isolierteste Person, die ich kenne.»
«Isoliert.»
«Eingesponnen in sich selbst.»
Das alles war faszinierend für Owen – eine Wegbeschrei-
bung aus seinen Schuldgefühlen heraus, vorgelegt von
einer Frau, die er kaum kannte. Andere Gäste, die ihren
Gesichtern ansahen, dass ihr Gespräch eine hitzige Tiefe
erreicht hatte, vermieden es, zu ihnen zu treten. Er sag-
te rasch: «Okay, treffen wir uns irgendwann zum Lunch.
Weit außerhalb der Stadt, und nicht in Hartford. Was denkt
Henry?»
«Worüber, Lieber?»
«Über Phyllis und mich und was weiß ich.»
«Henry und ich sprechen über nichts. Das ist das Schö-
ne daran.»
«Ich habe mich oft gefragt, was das Schöne daran ist»,
gestand Owen. Es gefiel ihm, wie er das so schnell, so tro-
cken sagte; er hatte das Gefühl, dass er binnen weniger ge-
stohlener Minuten lernte, mit dieser Frau zu tanzen.
«Geht mir ebenso», sagte Vanessa und klopfte die Asche
von ihrer Pall Mall. Die Musik hörte auf, und ihre Ehe-
partner kamen auf sie zu. Henry und Phyllis lachten, beide
erleichtert, dass der Tanz vorbei war, und blinzelten blind
im Licht der Strobe-Lights, die die Oglethorpes in ihrem
Wunsch, es allen recht zu machen, für den Abend installiert
hatten.
Die Lektion, die Owen von Vanessa lernte, war überra-
schend: Maskuline Frauen hatten großartigen Sex zu bie-
ten. Vielleicht war es kein Zufall, dass ausgerechnet die
wilde, jungenhafte Doris Shanahan ihm erlaubt hatte, an
ihren Beinen hinauf in ihre Shorts zu gucken. Mit ihnen
ist Sex sozusagen frontaler, direkter. Sie springen darauf
an und gehen auf einen Orgasmus los, so wie ein Falke
sich auf eine junge Wachtel stürzt. Obwohl Vanessa selten
dabei lächelte (anders als Faye in ihrem Rausch, anders
als Alissa mit ihren Grübchen), lachte sie oft, schroff, ihr
dunkles, heiseres Lachen. In ihren gewöhnlichen Klei-
dern aus festen Stoffen, mit breit geschnittenen Schul-
tern, wirkten ihr Arsch und ihre Brust flach, minimal;
wenn sie ausgezogen war, zeigte sie Reize genug. Ihr Kör-
per, weder dick noch knochig, hatte unter dem gebräun-
ten Gesicht die Eierschalenglätte eines Gipsabgusses, von
einem gleichmäßigen Ton, den weder ihre stumpfroten
Brustwarzen noch ihr kastanienbraunes Schamhaar deut-
lich unterbrachen. Sie ging mit einem gewissen spieleri-
schen Ernst an Sex heran; wie ein Mann war sie willens,
das Ereignis im Wesentlichen körperlich zu betrachten, gewissermaßen als Mahlzeit, und war wie eine gute Kö-
chin darauf bedacht, die nötige Abwechslung zu bieten.
Mit anmutiger Hand, die Fingernägel kurz geschnitten,
hielt sie seine Erektion, als wäre sie der Stiel eines über-
großen Weinglases, wobei ihr abgespreizter kleiner Fin-
ger kitzlig in dem krausen Haar am Ansatz lag, musterte
ihn, den blaugeäderten Stiel und die purpurrot gewor-
dene Glans aus der Nähe und überlegte, was sie damit
tun sollte. Wie eine gute Handwerkerin dachte sie auch
fern von der Werkbank über die Arbeit nach, sodass sie
ihn beim nächsten Rendezvous mit einer neuen Idee be-
grüßen konnte: «Ich hab gedacht, heute könntest du mal
zwischen meinen Brüsten kommen, wenn du mich vorher
mit dem Mund so weit bringst.»
«Was für eine göttliche Tagesordnung, Vanessa. Aber
sollte ich nicht irgendwann mal in dir drin sein?»
«Wo in mir, Liebster? Es gibt verschiedene Möglichkei-
ten.»
«O Gott, mach mich nicht verrückt mit Möglichkeiten.
Kannst du mich nicht einfach vergewaltigen?»
Seine feminine Seite, die er unterdrückt hatte, als Bud-
dy Rourke seine hübsche Anordnung der Monopoly-Kar-
ten verwarf, kam unter Vanessas
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