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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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we-
niger strahlenden Lächeln, vorsichtig und gefährdet. Ihm
hatten sich in dem kleinen Raum die braunen Wasserfle-
cken in der Porzellanschüssel aus der Zeit der Jahrhundert-
wende und der hohe Duschkopf von der Größe einer Son-nenblume mit dem starken Wasserstrahl eingeprägt. Diese
besonders schönen Einrichtungen, stellte er fest, als er
oben herumschlich, während unten eine Oglethorpe’sche
Party tobte, waren gnadenlos ersetzt worden.
    Die Oglethorpes bekämpften Alkoholkalorien mit kör-
perlicher Betätigung, vom Hundeausführen bis zum Ten-
nis. Sie zu sehen, wenn sie Tennis spielten, war komisch,
speziell wenn sie gemeinsam auf einer Seite spielten:
so viele spitze Ellbogen und Knie und Füße, die in wei-
ßen Sneakers hervorragten wie die Füße eines Kängurus,
während sie beide hin und her hüpften und ihre Schläger
manchmal krachend gegeneinander schlugen. Trish war
die erste Frau, die Owen kennen lernte, die das Joggen zu
einem Bestandteil ihres Lebens gemacht hatte, und es war
irgendwie aufregend, sie unerwartet in anderen Teilen der
Stadt zu sehen, sogar in der Partridgeberry Road, gut zwei
Meilen von seinem Haus entfernt. Bei Regenwetter trug
sie eine kurze gelbe Öljacke, unter der ihre nackten Bei-
ne über dem Asphalt zu schlenkern schienen wie bei einer
Gliederpuppe, und einen Regenhut mit ausladender, über
den Rücken reichender Krempe, wie das kleine Mädchen
auf der Schachtel mit Morton’s Salz. Als Owen sie Vanessa
als mögliche Dritte vorschlug – in spielerischer Fortsetzung
ihrer Phantasien, die sie beide erregten –, sagte seine Ge-
liebte: «Nicht viel Fleisch auf diesen Knochen, wie Spen-
cer Tracy zu sagen pflegte.»
    Er hatte den Film einst im Scheherazade gesehen, und so
beendete er das Zitat: «Aber was dran ist, ist erste Wahl.»
    «Ich weiß nicht, Owen. Du kannst es gern probieren,
aber wenn ich mit ihr rede, kommt nie viel von ihr zurück.
Das Springen geht zu schnell. Da ist keinerlei Tiefe hinter
dem, was du siehst.»
    «Wie viel Tiefe brauchst du denn, du Gierige? Mir ge-
fällt es, wie die Sprunghaftigkcit immer ein bisschen dane-
ben trifft, als hätte sie dich nicht ganz verstanden und über-
legte verzweifelt, welche Antwort du von ihr erwartest. Die
beiden sind rührend darauf aus, mitzumischen. Ich glaube,
sie ist für alles offen. So etwas merkt man. Sie ist ihr Leben
lang immer brav gewesen und findet, was sie bekommen
hat, ist nicht genug.» Er sprach etwas hastig, sogar atemlos,
wie ein jüngerer Polizist, der einem Vorgesetzten Bericht
erstattet. Er überlegte, ob der Ausdruck «für alles offen»
eine Frau kränken konnte, weil er zu sehr nach Männer-
klatsch klang, nach Bruderschaftsjargon. Vanessa sagte
nichts, nickte nur kurz und ließ ihn weiterplappern. «War-
um haben sie sich uns angeschlossen», fragte er, «wo es
doch genügend fade, ordentliche Paare in ihrem Alter gibt,
die neu in der Stadt sind? Wie nennt man sie doch jetzt?
Yuppies. Weiße Stadtfluchttypen, die in Hartford oder in
Norwich arbeiten. Nein, die Oglethorpes möchten was er-
leben – sie zumindest. Könntest du sie nicht ein bisschen
lieben?»
    «‹Örste Wwahl›», sagte Vanessa. «Das war der Witz. Tra-
cy sagte: ‹Örste Wwahl›.»
    Auf Vanessas Knochen war Fleisch genug; sie hatte brei-
te Schultern und eine breite Taille, wie ein Mann. Er hatte
hin und wieder den Wunsch verspürt, ohne ihm nachzuge-
geben, ihr das Handgelenk umzudrehen, sie zu schlagen,
weil er wusste, sie würde das hinnehmen. Wie er kam auch
sie aus armen Verhältnissen, und wie in einem gnadenlosen
Spiegel zeigte sie ihm die Niedrigkeit seiner Bedürfnisse.
Er lernte, sich gegen die Macht aufzulehnen, die sie über
ihn hatte. Es war möglich, wie er feststellte, alle Geschen-
ke, die ein Körper einem anderen machen konnte, anzu-nehmen und doch den Bewohner dieses Körpers nicht zu
mögen. Er empfand eine unangemessene Zärtlichkeit für
Vanessa. Ein Jahr lang, und dann noch eins, war er ihr Lieb-
haber, zweifellos nicht der einzige. Ihre Tage waren lang,
auch wenn sie ausgefüllt waren mit Aktivitäten.
    Es tat ihm Leid, dass er Trish als «offen für alles» bezeich-
net hatte. Jedes Mal wenn er sie bei einer Party traf, hatte
er Angst, er würde sie umstoßen. Seine ungehörige Charak-
terisierung war wie ein Belag in seinem Mund, der es ihm
erschwerte, so mit ihr zu sprechen, wie es nötig war, wenn
er ihr Vertrauen gewinnen wollte – freimütig, amüsiert, ohne
Folgerungen über das

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