Landleben
Situation der Familie – sie hatte
Brüder, die das Geld für die Studiengebühren dringender
brauchten – sie zwang, zu einer Sekretärinnenschule, wie
es immer noch hieß, in Hartford zu wechseln. Sie wurde
eine der Chefsekretärinnen in dem Büro, in dem Henry
arbeitete. Sie lernte planvoll zu arbeiten. Das Büro wur-
de von einer Frau geleitet, was damals ungewöhnlich war,
und die hatte versucht, ihr die Ehe mit Henry auszureden
und den Gedanken mit ihr zusammenzuziehen, schmack-
haft zu machen. Aber Vanessa wusste, dass sie Männer
brauchte, wie unbeholfen und schlicht sie auch waren. Sie
brauchte die Ehe, als Basis. Sie hatte intuitiv erfasst, dass
sie immer um Henry herum manövrieren könnte. Er war
älter, er würde sie zu ihren Bedingungen nehmen. Er hatte
sie nie für eines der niedlichen, klammernden Mädchen
gehalten, die er auch hätte haben können. Sie schuldete
ihm ein Kind – einen Sohn, wie es sich dann so hübsch er-
gab –, und danach ließ er ihr allen Freiraum. In der Woche
kümmerte er sich nicht darum, was sie tat. An den Wochen-
enden gehörte sie ihm.
«Wie ist das?», fragte Owen sie. «Wenn man mit einer
Frau zusammen ist.»
Er sah, wie ihre bernsteinfarbenen Augen, von vorbei-
ziehenden inneren Bildern aktiviert, sich veränderten. «Es ist so wie mit einem schwachen Mann», sagte sie. «Warum
mit einer schwachen Imitation zusammen sein, wenn du
das Wahre haben kannst? Und es geht doch nur darum»,
fuhr Vanessa fort und griff nun, vielleicht unbewusst, auf
die untergründige Bibelsprache zurück, die wir nie ganz aus
unseren Köpfen kriegen, erkannt zu werden. Du möchtest
besser erkannt werden, als du dich selbst kennst.»
«Du bringst mich um», sagte er, «wenn du mir so lässig
von den anderen erzählst, die du gehabt hast. Ich will, dass
du ganz mir gehörst.»
«Nein, Owen, das stimmt nicht. Du bist wie wir anderen
auch. Du magst den ganzen Schmuddelkram.»
«Wann hast du das letzte Mal mit einer Frau geschla-
fen?»
«Ich glaube nicht, dass ich dir das erzählen will.»
«Dann war es kürzlich.»
«Kein Kommentar, Liebster.»
«Lebt sie hier? Wahrscheinlich ja. Du musst mir davon
erzählen. Könnte ich mal zugucken? Könnten wir es alle
drei zusammen machen?»
Sie betrachtete seinen immer noch aufsässigen Penis
und leckte in einem Anflug von belustigter Zuneigung die
Spitze. Ihre Zunge war, so schien ihm, körniger als die an-
derer Frauen und dreieckiger und hatte eine muskulöse-
re Spitze. «Ich glaube nicht», sagte sie. «Wenn du einen
Dreier machen willst, dann musst du für die dritte Person
sorgen. Was bist du doch für ein Schlimmer, du verrückter
Kerl. Wie ein junger Hund.»
Die Oglethorpes hatten das verwinkelte viktorianische
Haus mit den Spindelarbeiten und den muschelförmigen
Schindeln hinter dem Palisadenzaun und den Fliederbü- schen von den Dunhams gekauft – für sich und ihre drei
Kinder und für ein ganzes Rudel Golden Retriever, wie es
schien, wenn diese alle auf einmal über den abschüssigen
Rasen gerannt kamen und Gäste zur lockeren Begrüßung
am Schritt beschnüffelten. Beide Oglethorpes waren ge-
radezu lächerlich dünn, und während er auf liebenswerte
Weise unkoordiniert war, als wollte er seine peinliche Grö-
ße (er war ein Meter neunzig) mit einem Wirbel wedelnder
Hände und unpassenden Gelächters überspielen, hatte sie
einen twiggyesken x-beinigen Liebreiz, den sie gern mit
hauchdünnen kurzen Hängern und schuluniformartigen
Jacken mit großen Knöpfen betonte, als ginge sie gerade
mit Mommy einkaufen. Ihr Haar war eine glänzende, ze-
dernholzfarbene Kappe, die sie manchmal mit einem gro-
ßen, zu einer Schleife gebundenen Band schmückte. Die
Oglethorpes luden fast so viel ein, wie es die fortgezogenen
Dunhams getan hatten. Vielleicht verlangte das alte Haus
danach. Die Zimmer waren auf ein Leben mit Dienerschaft
zugeschnitten, die Dampfheizung schepperte so laut, als
wäre ein Verrückter mit einem Hammer in den Wänden
gefangen. Wenn Owen durch die vertrauten Zimmer ging,
jetzt alle renoviert und neu möbliert, in einem weniger wil-
den, eklektischen Stil als dem, den Faye bevorzugt hatte,
fühlte er sich oft von einzelnen Erinnerungen an sie durch-
bohrt. Es war, als sähe er sie, wie sie fröhlich durch einen
Türrahmen flatterte, in einem ihrer bunten, improvisierten
Kostüme, oder wie sie nackt aus dem hinteren Badezimmer
im ersten Stock auf ihn zukam, barfuß und mit einem
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