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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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üppiges, drah-
tiges Haar und sah besorgt aus und schlecht ernährt. Sie
war eine von den Tausenden junger Leute, die sich tagaus,
tagein dem kränklichen Licht der Kathodenstrahlröhren
aussetzten. Sie rührte Owens Herz. «Dann wollen wir sie
nicht verschwenden», sagte er willig.
    Sie zog den grauen Flanellrock aus und die schmalen
Mokassins, behielt aber die weißen Söckchen und ihre
perlenrosa Seidenbluse an. Falls er sie küsste, dann war es
hinterher. Als sie sorgfältig ihre Brille absetzte, kniff sie die
Augen zusammen, und über ihrem spitzen Kinn wurden
ihre Lippen von andauernder Anspannung dünn. Sie sag-
te: «He, guck dir das an», als sie sah, wie bereit er schon
für sie war, nachdem er die Jeans schnell abgestreift hatte;
doch dann war sie, ohne Vorspiel, überraschend glitschig.
Sie musste die steigende sexuelle Erregung mitgebracht         haben, als sie über den geschwärzten alten Fußboden mit
seinem Muster von Bolzennarben und abgenutzten glän-
zenden Nagelköpfen gelaufen war, die Unterhose in der
Hand. Oder hatte sie sie direkt vor seiner Tür, einem spon-
tanen Einfall folgend, ausgezogen? Was war das für eine
tapfere Generation, die sich binnen eines Jahrzehnts von
jahrhundertelangen Verklemmungen befreit hatte.
    «Warum willst du das?», fragte er sie in einem atemlosen
Moment, den er einem ihrer Zusammenkünfte raubte.
    Unter ihm, auf das Sofa gedrückt, die Schenkel gespreizt
und um seine Hüften geschlungen, hatte sie keine Angst,
taktlos zu erscheinen. «Mit Jungen der eigenen Genera-
tion», erklärte sie, «muss man so viel verhandeln. All das
Zeug wegen Kinderkriegen und dann der langweilige
Scheiß, ob man sich bindet. Du fühlst dich von deiner Zu-
kunft gefangen und von dem, was du damit anfängst. Mit
dir gibt’s keine Zukunft. Da gibt’s nur dies hier. Nur bim-
bam, und nicht mal danke, Ma’am.»
    «Du bist wunderbar», fing er an.
    «Genug davon, Mr. Mackenzie. Ich bin nicht wunderbar.
Ich bin funktional, und ich bin nicht ganz hässlich, aber das
ist auch alles. Seien wir doch ehrlich: Für dich bin ich ein
Weiberarsch.»
    «Und ich, was bin ich für dich?»
    Karen schwieg. Owen spürte, wie die Zeit verging. Phyl-
lis konnte anrufen. Oder Ed. Er hatte Ed versprochen, sich
der Überarbeitung eines Versicherungsprogramms anzu-
nehmen, in dem versicherungsmathematische Wahrschein-
lichkeiten mit den gleitenden Zinssätzen der jährlichen
Zahlungen kombiniert werden sollten, angelehnt an die
Zinssätze der Federal Bank, mit Algorithmen, die doppelte
Logarithmenfunktionen einschlössen.
    «Du, du bist ein wunderbarer alter Kerl. Ich sehe dich als
Kind vor mir. Ich mag DigitEyes, was du damals gemacht
hast, mit den wenigen Kilobytes, die es gab. Ich spiele gern
damit, wenn ich anfange, dich zu vermissen, und mir wün-
sche, wir könnten mehr voneinander haben.»
    «Dann vermisst du mich also. Du möchtest tatsächlich
mehr.»
    «Natürlich; das ist schlichte Biologie. Die Biologie ist
dumm. Sie will Kinder. Aber ich will keine Kinder. Noch
nicht. Ich will nur ab und zu deinen Schwanz in mir ha-
ben.»
    So konnten sie nur in dem kleinen, fest verschlosse-
nen Raum miteinander sprechen, wie von dicken Wänden
umschlossen, so wie sein Gehirn von seinem Schädel um-
schlossen war; sie hielten ihn besetzt, ähnlich wie das un-
aufhörliche Gemurmel der Gedanken in unseren Köpfen.
    «Wie oft?», fragte er. «Wann kommst du wieder? Ich soll-
te es wissen, damit ich auch bestimmt hier bin.» Vanessa
und er hatten womöglich etwas verabredet; seine vier Kin-
der hatten ihre Termine – Sportveranstaltungen, Zahnarzt-
besuche.
    «Siehst du, das sind Verhandlungen», sagte Karen. «Ich
komme, wann es mir passt, wann ich kann. Ich werde da-
für bezahlt, dass ich hier arbeite, vergiss das nicht. Andere
Leute beobachten dich. Die Leute merken was.»
    « Wirklich? »
    «Ich habe was gemerkt, oder? Und du wusstest es auch.
Du warst nämlich nicht sehr überrascht, als ich das erste
Mal meinen Rock hob.»
    Sie hatte Recht: Schon dies bisschen Rekapitulation,
diese absichtsvoll gehortete Erinnerung, die zeigte, dass
sie ihre Schlüsse gezogen und einen Plan ausgeheckt hat-                 te, verdarb die Beziehung. Und es vergingen Wochen, bis
sie wieder in seinem Zimmer aufkreuzte, und dann kam sie
verschämt, als Bittstellerin; sie hatte der Begierde nachge-
geben, und es behagte ihm ganz und gar nicht, dass er diese
Macht über sie gewonnen hatte. Er bestand

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