Landleben
hinaus, wozu sie bereit war. «Und?»,
sagte er auf einer Herbstparty, die Roscoe und Imogene Bis-
bee gaben, «wie gefällt dir dein neuer Präsident?»
«Ganz gut, aber ich bin mir nicht sicher, ob er Nixon
hätte begnadigen dürfen.»
«Wir sind alle darauf angewiesen, dass wir begnadigt
werden, oder?»
«Meinst du?», fragte Patricia, wobei sie den Blick ab-
wandte, als ob gerade jenseits des Verandageländers etwas
passierte, unten in der Dunkelheit, wo Schritte auf dem
Splitt der Einfahrt knirschten und Gäste zu ihren Autos
gingen.
«Du vielleicht nicht», sagte Owen. «Aber im Ernst, wenn
er ihn nicht begnadigt hätte, wäre unsere ganze Energie
von der Aufregung um den Prozess aufgefressen worden.»
«Du hast Recht», sagte sie; ihre Zustimmung kam, fand
er, zu schnell, als wollte sie ihn loswerden. Er betrachtete
sie von der Seite. Ihr Profil zeigte ein wie wund geriebenes
Rosa bis zu den Nasenflügeln und ein hängendes Kinn, über
dem ihre volle Oberlippe hervorstand, als machte sie eine
nachdenkliche Miene. Er spürte bei ihr den Riss irgendei- nes alten Kummers, es war, als fühlte er einen Sprung am
Rand einer Teetasse an seiner Zunge. Bildete er sich auch
eine gewisse Ungeduld ein, ein Übermaß an Erwartung,
das sich, wie bei Faye, in ihrer Kleidung ausdrückte?
«Ich sehe dich dauernd beim Joggen», sagte er. «Du
siehst allerliebst aus.»
«Oh, bitte nicht», rief Trish im selben Moment und
wand sich am Verandageländer wie im Griff einer Verärge-
rung, die sich nicht abschütteln ließ.
Sie sah in ihm, wie ihre Reaktion ihm verriet, einen
gefährlichen Mann. «In deinen hohen Sneakers und den
Trainingshosen», erklärte er hastig. «Ich frage mich immer,
ob du keine Angst hast, angefahren zu werden.»
«Ich sehe zu, dass ich immer etwas Weißes anhabe. Und
die Laufschuhe haben jetzt Streifen, die im Scheinwerfer-
licht aufleuchten.»
Und ihre Augen, deren Wimpern so gleichmäßig verteilt
waren und glitzerten, dass sie auch künstlich sein konn-
ten, flammten wie Scheinwerfer. Er hatte sie erschreckt,
bedrängt, er war zu direkt gewesen. «Okay, gut», sagte er
schnell und machte einen Rückzieher. Er hatte die Er-
fahrung gemacht, dass eine Frau in ihrem grundlegenden
Wunsch zu gefallen einem auch nach einem Affront gewo-
gen blieb. So wie Alissa einen Satz zurück gemacht hatte,
als hätte sie sich verbrüht, und sagte: O nein, so nicht, und
sich dann wunderbar ergeben hatte. Er sagte: «Sprechen
wir über etwas anderes. Was denkst du über den Typen in
Kalifornien, der nach einer Geschlechtsumwandlung jetzt
beim Frauentennis mitmachen möchte?»
«Na ja», sagte Trish vorsichtig, «ungewöhnlich ist es
schon.»
Sie war nicht sehr intelligent, auch nicht sehr schön. War- um pirschte er sich an sie heran, machte Konversation mit
ihr, riskierte Peinlichkeiten, alles im Dienst eines seltsa-
men Traums, nach dem er diese naive Frau, wie ein leben-
des Reh, das er sich über die Schulter geworfen hatte, zu
Vanessa bringen wollte? Sie könnten beide an entgegenge-
setzten Enden anfangen zu knabbern und sich in der Mitte
treffen. Die beiden Frauen würden ihn anbeten, sich um
ihn reißen, sich in sklavischer Ergebenheit übertreffen.
«Bei ungewöhnlich fällt mir ein», fuhr er fort, «ich habe ge-
lesen, dass es in einem Hochsicherheitsgefängnis in Iowa
eine Frau als Wärterin gibt.»
«Und warum nicht?», fragte Trish mit einem Funken
Kampfeslust, der die dunkle Veranda der Bisbees erhellte.
Er machte erneut einen Rückzieher. «Ich weiß nicht
recht, und dann all diese Geschlechtsumwandlungsopera-
tionen. Man fragt sich, was ist eigentlich eine Frau?»
«Ja», sagte sie. Es war, als kröchen sie beide unter einem
Tisch herum und suchten nach etwas Verlorenem – einem
Ohrring, einer Kontaktlinse – und hätten es gerade gefun-
den. «Selbst wenn du eine bist», sagte sie zu ihm, «fragst
du dich das.»
Der Sprung in der Teetasse musste mit Sex zu tun ha-
ben, mit Sex und dem schlaksigen, törichten Dwight mit
seinen flapsigen Kängurufüßen und seinem grässlichen
weibischen Gelächter. «Manchmal», wagte Owen sich vor,
«muss es euch wütend machen. Die Frauen werden wüten-
der. Sieh dir Patty Hearst an, erst Daddys Liebling, dann
Revolverbraut.»
«Das war Gehirnwäsche», sagte Trish heftig und mach-
te einen ihrer erratischen schnellen Sprünge. «Man hat sie
gekidnappt und einer Gehirnwäsche unterzogen, und jetzt
wird sie gejagt.
Weitere Kostenlose Bücher