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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Und dann sagen sie, Frauen hätten die glei-chen Rechte.» Sie war gerade so viel jünger als Owen, dass
der Feminismus schon in sie eingepflanzt war; Frauen in
Owens Alter hatten ihn jede für sich erfinden müssen, jede
nach persönlichem Stil.
    Sein Hunger nach dieser Eroberung ließ nach. Er moch-
te Frauen nicht, die politisch stachelig waren; er mochte
Frauen, die ironisch und distanziert waren und sich ganz
dem rein Persönlichen widmeten – das Privileg der freien
Welt. Er fragte sie: «Weißt du, was mir in diesem Jahr bis-
her am besten gefallen hat?» Er dachte an die Raumsonde
Viking, die auf dem Mars gelandet war, der, nachdem man
ein Jahrhundert lang von Wasseradern daraufgeredet hatte,
trockener wirkte als Arizona.
    «Dass Evil Knievel nicht gesprungen ist», erwiderte
Trish überraschend prompt, als hätte sie über seine Gedan-
kengänge etwas nachgedacht. Ihre feindselige Kantigkeit
ließ hoffen; er fing an, sie von innen her zu bearbeiten.
Er sah aus dreißig Zentimetern Entfernung, wie ihr Ge-
sicht im Bett, auf einem Kissen aussähe; die Erkenntnis
ermüdete ihn ein wenig, weil es so anstrengend war, auf
verschiedenen Ebenen zu leben. Sie sähe ihn bockig an,
begierig, ihm den Preis für ihren Wagemut zu entlocken,
für das Risiko, das sie eingegangen waren.
    «Warum sollte mir das gefallen?»
    «Du magst Fehlschläge. Unglück liebt Gesellschaft», er-
klärte Trish, und nachdem sie ihn, ganz unerwartet, auf die
Brust getippt hatte, schwebte sie davon, aus der novemb-
rigen Kühle der Veranda in das helle, warme, von mensch-
lichem Geplauder erfüllte Wohnzimmer.
     
    Seine private Mönchszelle bei E-O, mit ihrem schmutzi-
gen hoch gelegenen Fenster und den sorgfältig abgestimm-          ten Besuchen von außen, war in letzter Zeit von innen
her, aus der Fabrik, besetzt worden. Eine Assistentin im
Programmierbereich, Karen Jazinsky, seit einem Jahr oder
so eingestellt, hatte hin und wieder Unterlagen von Eds
Ende des Unternehmens zu ihm gebracht – Ausdrucke von
Maschinencodes, die Probleme enthielten, Verträge, die
Owen abzeichnen musste, Artikel aus Computing Tomor-
row, in denen Passagen mit gelbem Marker hervorgehoben
waren. Karen musste im Obergeschoss einen unbenutzten
Teil der Fabrik durchqueren (der Leerstand erinnerte dar-
an, dass das Unternehmen seit einiger Zeit stagnierte und
DigitEyes 2.2 auf dem zunehmend von Grafik-Program-
men überschwemmten Markt praktisch gescheitert war)
und an die grau gemalte Metalltür klopfen, die Owen von
innen verschlossen hielt. Als Karen das erste Mal eingelas-
sen wurde, war sie überrascht von der fast häuslichen Ge-
mütlichkeit, die Owen in dem kleinen Raum geschaffen
hatte: der kleine Perserteppich, die Kork-Pinnwand, wo
Owen Notizen und Familienfotos mit Reißzwecken befes-
tigt hatte, die von Winkelstützen getragenen Regalbretter,
auf denen Kataloge und Computer-Handbücher standen,
die Leuchtstoff-Deckenbeleuchtung, die von Stehlampen
und Lampions aus Reispapier ergänzt wurde, die vielfäl-
tig verstellbaren Büromöbel aus gepresstem Plastik, dazu
ein mit Kord bezogener Lehnstuhl und das Kunstleder-
sofa, auf dem eine gestreifte Decke und mehrere dicke
Kissen lagen, die CRT-Bildschirme, die auf separaten Ti-
schen standen, aber verbunden durch eine bunte Girlande
vieladrigen isolierten Drahts. In die Augen der jungen Frau
trat ein Schimmer; sie sah den Raum als das, was er war,
ein Fickzimmer, ein Zimmer für binäre Phantasien. Tat-
sächlich musste sie es bereits geahnt haben, auch ohne den deutlichen Hinweis, dass er einige Male auf ihr Klopfen
hin nicht geöffnet hatte und auf beiden Seiten der gepols-
terten Stahltür der Atem angehalten worden war.
    Sie stand da wie eine Erscheinung; sie hatte Zutritt zu
seinem Traumleben gefunden. Sie übergab ihm Eds Unter-
lagen und floh, zurück durch den leeren Raum der Fabrik.
Doch dann kam ein Tag, wie ihn beide wohl vorausgeahnt
hatten: Nachdem sich die dicke Tür hinter ihr mit einem
trockenen Klicken geschlossen hatte, überreichte sie ihm,
neben den Geschäftspapieren, eine zusätzliche Botschaft,
ein zusammengedrücktes warmes Bündel, ihren Nylonslip.
Karen stand da, mit versonnenem Blick, und hob den Rock,
um ihm zu zeigen, dass ihre Unterhose in seiner Hand war.
«Wir haben nicht viel Zeit», sagte sie, und ihre Stimme
klang doppelt ängstlich – dass man ihr Fernbleiben vom
Arbeitsplatz bemerkte und dass er sie zurückwies.
    Sie war klein, mit kantigen Zügen, hatte

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