Landleben
verbrach-
ten Wochentagen zeugte. Das Hemd unter seinem Kragen
war nicht von dem üblichen Rußschwarz, sondern von ei-
nem weltmännischen Taubengrau; das dichte Haar auf sei-
nem Kopf, störrisch und eng verflochten, erinnerte Owen
an einen mittelgroßen Hund mit wuscheligem Rücken und
welligem Schwanz. Larson war noch in seinen Dreißigern,
und in seinem Auftreten fest, aber bescheiden. Dies war
ein Mann, dessen Weg unbeschadet im Einklang mit den
Wegen des Herrn verlief.
«Owen», sagte er, den Namen wiederholend, mit dem
Vanessa ihn vorgestellt hatte, als wollte er ihn auf einer
Erinnerungsliste in seinem Kopf festhalten. Seine Augen
funkelten freundlich, eingefasst von beginnenden Knitter-
fältchen. Owen mochte ihn; er mochte die meisten Geist-
lichen, weil sie das Undenkbare fern halten, während wir
durchs Leben tänzeln.
Larson trat einen halben Schritt zur Seite, sodass eine
Frau zum Vorschein kam, die bei ihm war und sich taktvoll hinter ihm gehalten hatte, auf der anderen Seite von Vanes-
sa. Sie war kompakt und seidig, wie Elsie, mit einem Hauch
von Doppelkinn, aber sie strahlte auch die undurchdringli-
che, ein wenig humorlose Vitalität aus, die Owen zuletzt an
Ginger Bitting bewundert hatte. Ihr Handschlag verblüffte
ihn, diese feinen weiblichen Finger, wie sie kühl in seine
Handfläche glitten. Ihre Augen waren von dem scharfen
Aquamarin der getönten Weingläser in Willow und der
kleinen gläsernen Konfektschälchen mit Muschelrand, die
tüchtige Tanten und ältere Nachbarinnen auf die geschlos-
sene Kante der unteren Hälfte des Schiebefensters stellten,
damit sich das Licht in ihnen fing. In seinem geschulten
und etwas gespreizt klingenden Bariton, einen Ton tiefer
in seiner Brust anschlagend, als schlichte Konversation es
erforderte, verkündete der andere Mann Owen: «Und das
ist meine liebe Frau Julia.»
XIII Man möchte es gar nicht wissen
In Haskells Crossing sterben die Leute. Sie zeigen einem,
wie man’s macht. Sie machen es unsichtbar, umgeben von
professionellen Krankenschwestern und treuem Hausper-
sonal, doch in seltenen Fällen fallen sie ohne Vorwarnung
tot um, zum Beispiel während sie den Ball hügelaufwärts
zum dreizehnten Loch treiben, oder mitten bei einem Ni-
ckerchen nach einem trinkseligen Sonntagslunch. Der Tod
verliert nie seine Eigenschaft des Unerwarteten. Das Le-
ben erwartet den Tod nicht, der lebendige Verstand kann
ihn sich nicht vorstellen. Manche Bürger sterben bald nach
einer aufwendigen kosmetischen Operation oder einer
schwierigen multiplen Bypassoperation, oder nach einer
teuren Hausrenovierung im Hinblick auf die künftigen
Jahre – sie sterben trotzdem.
In der Kirche, in die Owen und Julia regelmäßig gehen,
obwohl Julia weniger regelmäßig geht als damals, als sie die
Frau eines Geistlichen war, kann man den Vorgang beob-
achten. Die Sterbenden sind Sonntag um Sonntag ein klein
wenig unschlüssiger und ausgezehrter, wenn sie mit auf-
sässigem Blick und mahlenden Kiefern von dem Gitter, wo
sie die heilige Kommunion empfangen haben, wieder zu
ihrem Platz tapern. Als Nächstes schaffen sie es nicht mehr
bis zum Gitter, oder sie können sich, wegen der Gicht im
Knie oder der schmerzenden Hüfte, nicht mehr hinknien
und nehmen die Oblate stehend entgegen, wie die Katho- liken oder die Lutheraner, oder aber – das nächste Stadi-
um – der Geistliche und sein Ministrant bringen sie ihnen
zum Schluss zur Kirchenbank. Bei dieser Abweichung von
der gewöhnlichen Zeremonie ist kein anderes Geräusch zu
hören als das Murmeln des Geistlichen, und keine andere
Bewegung zu sehen als das wackelnde weiße Haupt der
Kommunikantin und ihre Hand, falls sie aus der Schule der
alten Hochkirche kommt und nach dem Empfang von Brot
und Wein das Kreuzzeichen macht. Die Männer verlieren
alle Farbe im Gesicht und werden grau wie Stein, und die
Augen sinken tiefer in den Augenhöhlen; die Frauen, die
noch im letzten Lebensstadium auf die frischen Make-up-
Farben zurückgreifen können, haben glitzernde Augen
über verhutzelten, aber rötlichen Wangen. Das Sterben
schmeichelt manchen Frauen, kehrt die Strenge und die
Entschiedenheit, die immer schon da waren, hervor. Ande-
re, wie die bemerkenswert reiche Florence Sprang, erschei-
nen als angemalte und verkleidete Schauergestalten, wenn
sie zwischen einem Handstock und einer Hausangestellten
den Mittelgang
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