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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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und Karen zusammen sähen, würden sie die
magnetische Strömung, die verräterische Elektrizität zwi-
schen ihren Körpern bemerken.
    Doch er sah sie nicht. Stattdessen kam Ian Morissey auf
ihn zu; sein Ziegenbart war weißer geworden, das Haar auf seinem Kopf länger, was zu seiner kürzlich getroffenen
Entscheidung passte, nämlich «Kunstmaler» an der Staffe-
lei zu werden und die Arbeit als Illustrator für Zeitschriften
auf seine Freizeit zu beschränken – nur noch die wirklich
aufregenden Aufträge, prahlte er, von alten Kumpeln in der
Branche. Er verkündete: «Alissa musste zu Hause bleiben,
bei Nina, sie fiebert, über achtunddreißig, und hat sich die
halbe Nacht übergeben.»
    «Wie alt ist sie jetzt?», fragte Owen höflich.
    «Fünf. Himmel, da fühlt man sich selber uralt.»
    Owen sagte in ironischem Ton: «Du hättest sie ruhig
herbringen sollen, in die Ambulanz.»
    Ian verstand keine Ironie, es sei denn, es war seine eige-
ne. «Nee, im Grunde genommen hat sie eine Pferdenatur.
Gebaut wie ein kleines Backsteinscheißhaus. Meinem Va-
ter wie aus dem Gesicht geschnitten, wie man jetzt sieht.
Er war Steinmetz, dafür muss ich mich nicht schämen.»
Schaler Sektgeruch lag in seinem Atem, explodierte in
Bläschen.
    Owen spürte einen Stich, als er sich Alissa und das kleine
Mädchen und diesen rülpsenden Wichtigtuer zusammen
vorstellte, eine heilige Dreieinigkeit, wie seine Eltern und
er auf den Sonntagsspaziergängen in Willow. «Na, hoffent-
lich geht’s ihr bald besser», sagte er zu Ian.
    «Bestimmt. Wie ich sagte, zäh wie ein Pferd. Meine bei-
den Großväter sind neunzig geworden.»
    «Sag Alissa, wir haben sie alle vermisst.» Schon Alissas
Namen zu sagen, die kusshaften S-Laute, versetzte Owen
einen leichten Stoß und weckte in seinem Kopf das Bild
eines unter der Haut gut gepolsterten Rückens, geteilt von
einer Wirbelsäule mit zarten Extremitäten. Er empfand ein
Gefühl der Kameradschaft, der Zusammengehörigkeit mit anderen Veteranen desselben Feldzugs, als er sich durch
die Menge bewegte, seine Mitmenschen in der Stadt seit
fünfzehn Jahren, das Gefühl, zu lieben und geliebt zu wer-
den, das ihm entgegenschlug, nicht nur von den Frauen,
die er kannte, sondern von den Kaufleuten aus dem Zen-
trum in ihren Polyesteranzügen, dem Juwelier und dem
Spirituosenhändler, dem trittsicheren Dachdecker, der hier,
an einem mit weißem Tuch bedeckten Tisch, eine Dop-
pelrolle als Barmann spielte, und der stämmigen, jetzt im
Ruhestand lebenden Krankenschwester, die ihm vor acht
Jahren, als sein Blinddarm entfernt worden war, mitten in
der Nacht Barmherzigkeit erwiesen und eine weitere Do-
sis Demerol verabreicht hatte. Mit den Krankenpflegern
und dem Empfangspersonal kamen ein paar braune und
olivfarbene Gesichter in die festliche Menge. Er konnte
Phyllis nicht finden, obwohl ihr heller Kopf gewöhnlich
ein paar Zentimeter über den meisten anderen schwebte.
Er hatte sie geliebt, anfangs, weil sie groß war, groß und
weiblich und jung. Ihre seltsame augenscheinliche Abwe-
senheit versetzte ihm einen Stich – Vorahnung von Schuld;
er fühlte sich seines Glücks unwürdig, fühlte sich davon
verwirrt. Diese schuldbeladene Glückseligkeit – war sie
das Leben?
    Die Schatten wurden länger. Die Luft wurde kalt. Va-
nessa, die als Mitvorsitzende über ein defektes, quakendes
tragbares Soundsystem eine wirkungsvolle Rede gehalten
und nach allen Seiten hin gedankt hatte, kam auf ihn zu.
Sie trug einen entengrünen Hosenanzug aus changierender
Seide und hatte einen gut aussehenden Mann mit steifem
Kragen an ihrer Seite. «Owen, Lieber, ich weiß gar nicht, ob
du Reverend Arthur Larson schon kennen gelernt hast. Er
ist noch neu hier an der episkopalischen Epiphanias-Ge-meinde, aber er hat uns mit den besonderen Sponsoren in
seiner Gemeinde großartig unterstützt. Er hat uns gehol-
fen, an sie heranzukommen.»
    Der Geistliche schüttelte Owen die Hand. Der Hän-
dedruck, so ahnte Owen, würde jeweils kunstvoll variiert,
nach Geschlecht und Größe des Begrüßten, nach seiner
oder ihrer wirtschaftlichen Bedeutung in der Stadt und
nach dem Gewicht der vermuteten Freundschaft mit der
einflussreichen Vanessa. Owen empfing einen warmen,
aber nicht glühenden Händedruck. Reverend Larsons gu-
tes Aussehen schien gleichmäßig aufgesprüht, eine wasser-
beständige Schicht, von dem Satinglanz seiner schmalen
schwarzen Schuhe bis zu dem ledrigen Leuchten seines
vom Wind polierten Gesichts, das von im Freien

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