Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
ersten Einladung zu Cocktails meist davon ab,
sie abermals zu bitten. Die Älteren hingegen, die zu ihrem
eigenen Verzicht durch Krankheit oder mit Hilfe der An-
onymen Alkoholiker gekommen waren, fanden das neue
«junge» Paar frisch und angenehm und luden die beiden
zu den jahreszeitlichen Partys ein, wo Owen und Julia, von
umherkrabbelnden Enkelkindern abgesehen, die jüngsten
Gäste waren. In dieser fröhlichen Schar älterer Menschen,
die sich an ihren veralteten Geschichten ergötzten, war
der Schnitter bereits am Werk. Beerdigungen wurden zu
einem vertrauten Ereignis – mit episkopalischen Riten, die
gestreckt wurden, um unkonventionellen, manchmal re-
spektlosen und erheiternden Erinnerungen alter Freunde
und alternder Kinder Platz zu bieten. Zum Gottesdienst
gab es ein Faltblatt mit schmerzstillenden Versen auf der
Rückseite, den Liednummern und Gebeten in der Mitte
und auf der Vorderseite ein faszinierendes Bild des Ver-
storbenen in der Fülle des Lebens – an der Ruderpinne
seines Bootes in Maine oder vor einem üppig blühenden
Rosenspalier, lachend im Sonnenschein, dessen Neutrinos
inzwischen bei dem Stern Vega angekommen waren, oder
die Zügel eines Pferdes haltend, das selbst schon dahinge-
schieden war, hier aber ein wildes Auge und eine geblähte
Furcht einflößende Nüster präsentierte. Owen war faszi-
niert von dem, was für die Reichen summa summarum die
glücklichsten Momente waren. Ländliche Freuden: Mil-
lionen von Dollars, zusammengebracht im Trachten nach
Reinheit, nach ursprünglicher Unschuld. Selten wurde
eine Innenaufnahme gewählt oder ein Photo, das im Ver-
lauf eines Arbeitstags oder bei einer Zeremonie aufgenom-
men worden war, bei einem vierzigjährigen Jubiläum oder einer üppigen Feier zum Eintritt in den Ruhestand. Wenn
das Bild aus der glatthäutigen Jugend des kürzlich Ver-
storbenen stammte, zeigte es ihn fast immer in sportlicher
Pose – in Weiß vor einem Tennisnetz, oder mit einer Sil-
bertrophäe und mit einem nicht weniger hellen Lächeln.
Das Leben nach dem Tode, lautete die darin enthaltene
Mitteilung, würde in einem Country Club stattfinden.
Nach dem Gottesdienst richtete die Witwe oder der Wit-
wer oder das älteste Kind, das noch in der Gegend lebte,
eine Party in dem geräumigen ehemaligen Zuhause oder
im Jachtclub oder im Country Club aus, wo die Erinnerun-
gen an den Verstorbenen vergesslicher Fröhlichkeit wichen
oder bitteren Beschwerden darüber, wie benachteiligt die
grundbesitzenden, steuerzahlenden Einwohner von Has-
kells Crossing bei ihren Auseinandersetzungen mit den
korrupten oder einfach nur sorglosen, jedenfalls kleinlichen Politikern waren, die in der Machtzentrale von Cabot City
bequem in ihren Sesseln saßen. Fand die Feier in einem
Privathaus statt, hatten die Gäste eine glitzernde Scheibe
des Meeres im Blick – das alles verschlingende, unerschüt-
terliche Abbild der Ewigkeit, das jeden Feiernden, jeden
Lebenden erwartete.
    Eine der frühesten Bekannten der neuen Mackenzies –
Mackenzies IT, wenn eine Ehe ein Film wäre, oder, wäre
sie ein Computerprogramm, Mackenzies 2.1 – war Bumpy
Wentworth gewesen, eine kleine rundliche Frau mit schüt-
terem blauem Haar und dem Talent, andere nachzuahmen.
Bumpy war ein Spitzname aus der Kindheit, ihr zugedacht
von einem sich zurückgesetzt fühlenden jüngeren Bru-
der, mit dem sie – neben einer korpulenten Gouvernan-
te – die Rückbank des Peerless ihres Vaters teilte. Fotos aus
dem Jahr 1925, als sie zehn Jahre alt war, bezeugten eine kampflustige schwesterliche Draufgängerin. Sie wurde
eine gutmütige, wohlproportionierte Frau, aber der Name
begleitete sie, von der engeren Familie zur Schule, dann
ins Internat, dann in die Schule für höhere Töchter und
in die Ehe. Nach der konservativen Mode der Gegend,
wo ein freundlicher männlicher Chauvinismus die weib-
lichen Stammesangehörigen wie Haustiere etikettierte,
blieb «Bumpy», was nach Stoßen und Schubsen klang, an
ihr haften. Ebenso hielten sich unter ihren Altersgenossin-
nen in Haskells Crossing die Spitznamen Muffin, Jonesie,
Snuggles und Bunch – und sie alle waren würdige, gut situ-
ierte Frauen in ihren Sechzigern und Siebzigern.
    Wenn Julia überhaupt eine Schwäche hatte, dann die für
fröhliche Freundschaften mit anderen Frauen. Sie war von
ihrem Vater, einem Banker und Kirchenältesten aus New
Haven, dessen drei andere Kinder Jungen waren, direkt
ihrem Ehemann, der frisch vom Priesterseminar kam, als
vorbildliche

Weitere Kostenlose Bücher