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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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nicht bis nach
Hartford fahren wollten. Eigentlich lag allen daran, dass
diese lokale Institution gedieh und erhalten blieb, obwohl
Kleinstadt-Krankenhäuser aufgrund der Kosten der medi-
zinischen Versorgung und der Wirtschaftlichkeit größerer
Häuser immer weniger wurden – derselbe Wirtschaftstrend
übrigens, der den Untergang von Kinos, selbständigen
Banken und unabhängigen Bürobedarfsgeschäften, von
Spielzeugläden und Buchhandlungen herbeiführte. Das
Einkaufen hatte sich in die Bereiche zwischen den Städten verlagert, in Einkaufszentren, die jeweils mehrere Farmen
verschlangen. Selbst Woolworth, der mit goldenen Let-
tern versehene Außenposten des Imperiums in der River
Street, mit seinem bunten Warensortiment angeblich so
beständig wie die Ford Motor Company und die Telekom-
munikationsfirma AT&T, war auf deprimierende Weise
heruntergekommen: In der Haustierabteilung gab es nur
noch ein paar plappernde, demoralisierte Wellensittiche
und Kanarienvögel, während es früher hier wie im Dschun-
gel gezwitschert hatte und alles erfüllt gewesen war vom
herben Geruch von Vogelsamen und Vogeldreck und vom
Rascheln von Wüstenspringmäusen auf ihren quietschen-
den Treträdern und in ihren stechend stinkenden Nestern
aus Sägespänen.
    Das Krankenhaus war – wie die noch nicht regional in-
tegrierte Highschool von Middle Falls – für die Bewohner
ein Hort der Erinnerungen. Das jüngste Kind der Macken-
zies, die in sich gekehrte, empfindliche Eve, war dort ge-
boren, und als Phyllis mit vierzig ihren Krebsschock hatte
(eine gutartige Zyste, deren Entfernung kaum eine Narbe
hinterließ) und Gregory sich mit vierzehn den Fußknöchel
brach und Owen mit vierunddreißig fast einen Blinddarm-
durchbruch hatte, da hatte das Krankenhaus sie aufgenom-
men und sich ihrer Schmerzen und Ängste angenommen.
Die intensiven allseitigen Beziehungen innerhalb ihres
Freundeskreises schlössen eine Identifizierung mit der All-
gemeinheit nicht aus. Owen mochte das alternde kommer-
zielle Sammelsurium der River Street und sah seine Firma
als ein Kapitel in der industriellen Geschichte der Stadt. Er
und Phyllis hatten viele Male, wenn eines der Kinder teil-
nahm, bei Sportveranstaltungen der Highschool mitgeju-
belt. Ein Slogan, der mit vielfachem energischem Recken          des Arms und Schütteln der Pompons der weiß besockten
Cheerleader gerufen wurde, ging so: «Nicht zu dick und
nicht zu dünn, Middle Falls ist mittendrin! Nicht zu groß
und nicht zu klein, Middle Falls wird –» Zeigefinger hoch
erhoben und wackelnd – «siegreich» – ausholende Arm-
bewegung, die Finger gespreizt – «sein!» Seit Owen als
parteiischer Teenager an der Willow High mitgeschrien
hatte, waren ein paar schlitternde Tanzbewegungen, ein
Vermächtnis der sechziger Jahre, dem appellierenden Ar-
mewedeln und den Spreizsprüngen der jungen Mänaden
in ihren Faltenröckchen und großen Pullovern hinzugefügt
worden, doch ihm fiel auf, wie von Grund auf konserva-
tiv die jugendlichen Riten waren – die gleichen abgerisse-
nen Rufe im Freien, der gleiche melancholische Duft von
aufgeworfener Erde, der vom Football- oder Soccerfeld zu
den Seitenlinien drang, die gleiche Hoffnung eines jeden
Stammes, dass der Sieg heute ewig währenden Sieg bedeu-
tete, in dem großen Spiel, das das Leben war.
    Das Fundraising war erfolgreich verlaufen, Einwohner
des gesamten sozialen Spektrums hatten sich beteiligt.
Bei glücklichem Aprilsonnenschein fand eine triumphale
Endveranstaltung auf dem Hof des Krankenhauses statt.
Es war ein Wagnis gewesen, die Party für die Mitarbeiter
und die bedeutenden Spender draußen abzuhalten, aber
es waren so viele, und die verstaubten Empfangsräume im
Obergeschoss des Rathauses hätten dem Ganzen eine zu
trostlos offizielle Atmosphäre gegeben, während die Räu-
me im Erdgeschoss des dreistöckigen, im georgianischen
Stil gebauten Bundeshauses, in dem der Geschichtsverein
untergebracht war, zu elitär gewirkt hätten. In der son-
nenbeschienenen Menge des Spätnachmittags entdeckte
Owen sogleich Trish Oglethorpe. Obwohl er sich abwandte       und sie meiden wollte, kam sie auf ihn zugeeilt. «Owen!
Ich sehe dich ja nie mehr!»
    «Ich bin noch da.»
    «Ich meine, um mit dir zu reden.»
    Wie zur Entschuldigung sagte er: «Wir haben uns wohl
den Winter über ein bisschen verkrochen.» Wir. er und
Phyllis, Mann und Frau, mehr und zugleich weniger als
eine wirkliche Person.
    «War das nicht schrecklich! So

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