Landleben
Septembernachmittag,
am Küchentisch des Hauses der Mackenzies in der Part-
ridgeberry Road, mit sechs Schlafzimmern und vier Bade-
zimmern, aber der Bereich war derselbe, der Bereich unwi-
derruflichen, realen Schadens. Er war der Henkermeister
seines eigenen Kindes. Die Waffe war noch hinter seinem
Rücken verborgen, aber in wenigen Tagen würde sie her-
vorgezogen und abgefeuert werden müssen. Sein Sohn
würde, wie Buddy Rourke, vaterlos werden, weil sein Va-
ter ausgebrochen war. Phyllis wusste es schon. Bald wüss-
te es die ganze Stadt. Es gab kein Versteck, kein Zurück.
Auf der anderen Seite der Küchenfenster erklang das Lied
schuldlosen Lebens, so fern von menschlicher Schuld wie
ein Traum – Stare zwitscherten, während sie sich in Scha-
ren für den Abflug sammelten, Insekten zirpten unsicht-
bar, der Sommer beendete seine Geschäfte.
Julia ging voraus – sie war die Erste, die es erzählte, die
erste, die sich trennte, die Erste, die sich scheiden ließ. Ob-
wohl Owen sie begehrte und in ihr seine Chance sah, sich
in ungefährdete eheliche Fleischeslust und Gehorsamkeit
einzugewöhnen, hätte er womöglich endlos gezögert und
die Frauen in der Luft hängen lassen, wie ein Jongleur sei-
ne bunten Bälle, hätte Julia ihn nicht beschämt und voran-
getrieben. Erschrecken über ihren eigenen Sündenfall hat-
te sie elektrisiert; das zweifelsfreie Verhalten, das sie sich
in Zeiten ihrer Tugendhaftigkeit erworben hatte, trieb sie
voran. Sie blickte nie zurück, und er folgte ihr matt.
Die Gespräche mit seinen Kindern, der Umzug in eine
Wohnung in den heruntergekommenen Reihenhäusern
am anderen Ufer, gegenüber der alten Fabrik, die Unter-
redung mit einem müden, neutralen Scheidungsanwalt in Hartford – all dies vollzog sich wie unter Wasser. Benom-
men bewegte er sich durch das Dickicht der Schmerzen an-
derer; er erkannte sich kaum wieder. In diesem dichteren
Element fühlte er sich seltsam leicht. Er hatte das Gefühl,
dass er mit dem Eintritt in dieses drastische Element – das
Verhängnis, das er mit dem leeren Grundstück neben sei-
nem ersten Zuhause verwechselte, wo seine Brille in ihrem
taufeuchten Etui wie durch ein Wunder wieder in seinen
Besitz gelangte und ihn überzeugte, dass sein Leben un-
ter einem glücklichen Stern stand – sein verspätetes Er-
wachsenenleben begonnen hatte. Phyllis zu verlassen, zu
einem Zeitpunkt, als sie beide Mitte vierzig waren, war die
erste erwachsene Handlung in seinem Leben. Erwachsen
zu sein bedeutete, ein Killer zu sein. Pazifisten und Nicht-
kämpfer machten sich lediglich etwas vor und überließen
die schmutzige Arbeit anderen.
Vanessa, die ihm eines Mittags in der Stadt begegnete,
vor dem «Hässlichen Entlein», sagte nur ohne ein Lächeln:
«Gut für dich, Lieber», blieb aber nicht stehen. Alissa, die
mit der kleinen Nina im Schlepptau die Branch Street zur
Grundschule überquerte, sagte zu dem Kind: «Möchtest
du Mr. Mackenzie zeigen, wo dein Zahn ausgefallen ist?»
Karen Jazinski hatte in jenem Sommer einmal an Owens
Zelle bei E-O geklopft, aber da Julia bei ihm auf dem Sofa
war – mit ihrem entschieden brünetten Haar weniger wie
Manets Olympia, sondern mehr wie Goyas Nackte Maja – ,
konnte er nicht aufmachen, und Karen, die vielleicht bei-
der angehaltenen Atem drinnen spürte, klopfte nicht noch
einmal. Aus einem unerfindlichen Grund führte Trish
Oglethorpe die lokale Streitmacht der Entrüstung an und
ging im Supermarkt an Julia vorbei, als wäre sie ein wel-
ker Salatkopf. Roscoe und Imogene Bisbee brüskierten das neue Paar im Silver Spoon, einem überteuerten Restaurant
mit Kerzenlicht in Upper Falls, wo Owen und Julia sich
unter den gesichtslosen Siedlungsbewohnern vor dem Er-
kanntwerden sicher geglaubt hatten.
Dieses Interim der Trennung zog sich über ein Jahr hin,
und dann kam es noch schlimmer. Man möchte es gar nicht
wissen. Die Zeitungen und Nachrichtensendungen sind
voll von Familiendramen und Morden hinter Mauern. In
beiden zerstörten Ehen gab es kummervolle, Rückschau
haltende Unterredungen, nicht ohne hochgestimmte Mo-
mente trunkener Geständnisse und trockener Heiterkeit.
In einem späteren Stadium, als es mehr um Rechtsfragen
ging, gab es bittere Auseinandersetzungen über die Auf-
teilung von Besitz – besonders bitter bei den Mackenzies,
die unverhofft zu Wohlstand gekommen waren und ihn
schnell in schöne, künstlerische Dinge umgesetzt hatten.
Jeder Perserteppich, jedes abstrakte Gemälde, jedes
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