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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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Armut ohne jedes staat-
liche Sicherheitsnetz, Krankheit ohne die medizinischen
Wunder der Nachkriegszeit, Verlust des gesellschaftlichen
Status ohne ein ausgleichendes Sozialsystem. Das Kind
schnappte Unheil kündende Gesprächsfetzen aus anderen
Zimmern des Hauses auf: Die Stelle seines Vaters war kei-
neswegs sicher, die lokale Strumpfwarenindustrie stand vor
dem Ruin, die Gesundheit seiner Mutter war heikel. Sie
hatte hohen Blutdruck und Frauenbeschwerden. Abgese-
hen von der Zeichnung im Geräteschuppen wusste Owen
nichts über die weiblichen Geschlechtsorgane, aber dem,     was er mithörte, entnahm er, dass sie eine Einbahnstraße
zur medizinischen Katastrophe darstellten. Und Grandpa
und Grammy waren längst nicht mehr jung; sie schlurften
in ihrem Zimmer umher, in dem es nach feuchtem Pa-
pier roch, dem Geruch alter Menschen, bewegten sich am
Rande des Verdämmerns und erschienen, entgegen aller
Wahrscheinlichkeit, jeden Morgen wieder zum Frühstück.
Owen durchlebte seine Tage und durchschritt die Klassen
in der Schule, dankbar dafür, dass seine Welt in der Mifflin
Avenue heil blieb.
    Dann, als er dreizehn war, blieb sie es nicht mehr. Die
Fabrik, in der sein Vater arbeitete, wurde geschlossen. Die
Kriegsproduktion waren ihre letzten Atemzüge gewesen.
Sein Vater lief die sommerheißen Straßen Altons ab, auf
der Suche nach einer Stelle als Buchhalter. Die Demüti-
gung zehrte sein Gesicht aus, färbte es gelb. Er befasste
sich zwanghaft – absurd, fand Owen, der nie die Rechnun-
gen sah – mit den Ausgaben für das Haus in der Mifflin
Avenue, den Kosten für Heizung, Unterhalt, Wartung, mit
dem Bedarf an frischer Farbe. In seinem Kopf war es ein
weiteres «Wucher-Unternehmen» geworden. Er nannte es
«Pops Torheit», er musste sich daraus befreien. Das Haus,
das einzige, in dem Owen je gelebt hatte, wurde für die
gleiche Summe, achttausendfünfhundert Dollar, verkauft,
für die Owens Großvater es fünfundzwanzig Jahre zuvor,
nach einem anderen Weltkrieg, gekauft hatte. Für die
Hälfte dieses Betrags kauften sie ein Haus auf dem Land,
meilenweit von allem entfernt, umgeben von erodierenden
Feldern, Grillengezirp und Vogelgezeter. Das kleine Stein-
haus hatte ein Jahr lang leer gestanden. Schwalben hatten
Nester im Kamin gebaut, Flughörnchen lebten auf dem
Dachboden, Wildkatzen hielten sich in den Heuballen in          der ungeweißten Scheune versteckt. Es gab keinen Strom,
kein Telefon, keine sanitären Einrichtungen, und der Ein-
bau dieser Dinge schluckte einen Großteil der restlichen
viertausend Dollar. Außerdem brauchten sie ein Auto; in
Willow hatten sie überallhin laufen können, alle fünf in
fünf verschiedene Richtungen, wenn sie wollten, und für
sieben Cent brachte die Straßenbahn sie direkt nach Alton
mit seinen Kaufhäusern und Kinos. Daddy konnte in Alton
keine Stelle finden. Die ganze Stadt siechte dahin, und er
war mit über vierzig zu alt, sich umschulen zu lassen. Ein
früherer Klassenkamerad in Norristown, nach Philadelphia
hin, stellte ihn schließlich als Sozius in seinem Steuerbü-
ro ein, für weniger Geld, als die Strumpfwarenfabrik be-
zahlt hatte, und das Auto war auf diese Weise von morgens
um acht bis abends um sechs weg. Owen blieb bei seinen
Großeltern, seiner Mutter, einer Scheune voller Katzen
mit Triefaugen und zwei flauschigen Collie-Welpen. Die
Nachbarn waren Mennoniten, deren Kinder keine Zeit
zum Spielen hatten, sie arbeiteten alle auf der Farm mit.
Eine Meile entfernt gab es ein altes Gasthaus und einen
Lebensmittelladen in einer Gruppe von sechs Häusern an
der Straße, aber das war keine richtige Stadt. Owen blieb
im Haus und las Sciencefictionromane und Krimis, die in
englischen Dörfern spielten, und träumte von abwegigen
Erfindungen, die ihn reich machen würden. Im Rück-
blick auf sein Leben wurden diese Jahre meistens getilgt,
sie passten nicht in seinen Lebenslauf, die sechs Jahre
auf dem Lande, bevor er ans MIT und nach Neuengland
ging.
    Die Kleinstadt, in der er jetzt lebt, höchstwahrschein-
lich die letzte, abgesehen von dem Bide-a-Wee- Pflegeheim,
hat keine eigene Verwaltung, sondern ist ein Ortsteil von      Cabot City, einer Stadt von vierzigtausend Einwohnern.
Haskells Crossing ist das ehemalige Sommerhaus-Gebiet,
wo die riesigen Anwesen von Millionären – nach heutigem
Geld Milliardären – aus Pittsburgh und Chicago in kleine-
re Parzellen aufgeteilt worden sind, an die man sich aber
immer noch erinnert und die noch

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