Landleben
Diebstahl
anzeigten, erschien am selben Tag ein Polizist und sah sich
mit feuchten ovalen Augen verdutzt, aber teilnahmsvoll
um. Er sah aus wie ein großes Eichhörnchen ohne buschi-
gen Schwanz, wie er sich kurzsichtig über sein Notizbuch
beugte und an jedem Körnchen eines Hinweises knabber-
te. Der Dieb wurde nie gefunden.
Aufgewachsen in einer inmitten harter Zeiten idyl-
lisch ruhig gebliebenen Kleinstadt, in einem Staat, der
sich standfest den schnellen Lösungen von Faschismus und Kommunismus verweigerte, sind Owens sozioöko-
nomische Einstellungen eine bunte Mischung: Er wählt
die Demokraten, weil seine Eltern und seine Großeltern
für Roosevelt gestimmt hatten, doch gleichzeitig erwartet
er von der Regierung so wenig, dass alle sozialen Dienst-
leistungen und Anzeichen öffentlicher Ordnung ihm eine
angenehme Überraschung sind. Als Bradley Acheson ihm
auf dem weiten, sonnenüberfluteten Rasen, wo am Abend
die Cocktailparty stattfindet, von den neuesten Vorstößen
vorjammert, das fünfundsechzig Hektar umfassende An-
wesen des alten Judson zu parzellieren und zu erschließen,
bleibt sein Mund verschlossen, weil er sich nicht entschei-
den kann, ob er um der Grünflächen willen, die von altem
Reichtum erhalten wurden und nur durch Einschreiten
der Regierung weiterhin erhalten werden können, zustim-
men oder ob er darauf hinweisen soll, dass die Geschich-
te des nordamerikanischen Kontinents eine Geschichte
der Erschließung ist. «Wohnungsbau», sagt er schließlich
zögernd, «ist ein wichtiger Wirtschaftsindikator, und – ist
‹KNIF› zu rufen nicht ein bisschen antidemokratisch, ja,
sogar antipatriotisch, unter der Ägide eures tollen Typs,
Bush zwei?»
«KNIF?»
«Kommt Nicht In Frage.»
Offenbar hat Brad das Akronym noch nicht gehört, und
sein bellendes Gelächter schleudert ein Bröckchen Curry-
Ei im Bogen auf das Revers von Owens Blazer. Owen zuckt
nicht zusammen, sondern wartet höflich, bis das große vier-
eckige Gesicht des Gastgebers – auch das eine Fläche, die
zur Erschließung auffordert – sich durch die unerfreuliche
Komplexität, die sterile Konfliktbeladenheit der Antwort
seines Gastes hindurchgekaut hat. «Der Bauunterneh- mer», klagt Brad, «ist nicht einmal aus Massachusetts – ir-
gendeine kalifornische Megafirma, die hier ankommt und
jeden Baum umholzt und jede Menge von diesen schreck-
lichen McMansions aufstellt, so dicht wie die Bebauungs-
vorschriften es zulassen. Am Ende sieht es bei uns aus wie
in Watertown.»
«Klingt grauenvoll, Brad, aber, was soil’s, es schafft Ar-
beitsplätze, Arbeitsplätze in einem der wenigen amerikani-
schen Industriezweige, die sie nicht nach Übersee verlegen
können. Hör zu: Jede Stadt in diesem Land war einst eine
Farm oder ein Wald. Wenn ihr konservativen Baumretter
das Sagen gehabt hättet, wäre nie etwas gebaut worden.
Cabot City wäre noch ein fischreicher Fluss. Haven-by-
the-Sea wäre Nothing-by-the-Sea. Ein Haufen Muschel-
schalen neben ein paar verrottenden Wigwams.»
Brad presst die Lippen zusammen und sieht so aus, als
würde er gleich explodieren; er blinzelt über Owens Schul-
ter, um zu sehen, welche anderen Gäste seiner Aufmerk-
samkeit bedürfen, an welcher angenehmeren Unterhaltung
er sich beteiligen könnte. «Es muss eine Ausgewogenheit
geben», sagt er schließlich.
«Genau», stimmt Owen zu. Er liebt Brad, als Golfspie-
ler. Wenn er ihn ansieht, sieht er nicht seine Seele, wie es
Gott angeblich tut, noch sieht er die Statistik seines Ein-
kommens und seines Nettowerts, was die Steuerbehörde
zu durchschauen hofft, vielmehr sieht er einen bestimm-
ten Swing, eine Art wirbelnder Bewegung, die Finger zu
dicht am Griffende, einen anmutigen, aber entschiedenen
Swing, der an guten Tagen schnurgerade Treibschläge
bringt, manchmal geheimnisvoll weit, und Chips schlägt,
die wunderbar dicht ans Loch kriechen. Die Männer aus
Owens Bekanntenkreis in Haskells Crossing und Umge- bung sind für ihn eine Sammlung von Golfswings, und
keine zwei gleich: Der gesetzte Morton Burnham ein
kraftvoller, aber zu aufrechter Ausfall, begleitet von ei-
nem unausrottbaren Auf und Ab des Kopfes; der gelen-
kig-schlaksige Geoffrey Dillingham eine übertriebene
Schulterdrehung, mit weit über die Parallele hinaus zu-
rückgeworfenem Schläger; der stämmige Quentin Chute
ein schnell «abdrückender» Hieb aus der Hand, nur Un-
terarme und Grimasse; der pedantische Martin Scofile
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