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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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hinaufzieht.
    «Warum siehst du dir ewig diesen Quatsch an?», fragt er
in vorsichtiger Gegenwehr. «Das Wetter kommt, einerlei,
was du weißt.»
    «Still!», sagt sie in dem gleichen heftigen Ton, in dem
seine Mutter einst befohlen hat: Fass das nicht an! «Jetzt
habe ich das mit der Front verpasst!»
    «Die Front kommt sowieso, wie es ihr passt, mach dir
darüber keine Sorgen. Selbst du kannst Fronten nicht be-
herrschen. Was steht in der Times?»
    «Lies doch selbst.»
    «Ich lese den Globe.»
    «Sehr dumm von dir, Owen. Da steht doch nichts drin,
abgesehen von Vergewaltigungen in Medford und Morden
in Dorchester.»
    «Naja, im Gegensatz zu der heiligen beschissenen Times behauptet der Globe nicht, zu wissen, welche Nachrichten
es wert sind, gedruckt zu werden.» In seiner Erregung geht
er an den Brotkasten in der tiefen Schublade und zieht eine
Tüte Newman’s Own Traditional Thin Pretzels heraus,
die mehr nach Gebackenem riechen als die weniger mo-
ralischen Sorten, und beißt in eine hinein. Der erste Biss
ist immer der beste. Paul Newman, der mit seiner Tochter        Nell auf der Zellophantüte posiert, hat auch weiße Haare.
Owen erinnert sich noch an ihn, wie er in Der Wildeste unter
Tausend war, so jugendlich und gefährlich, und halb wie im
Schlaf wirkte wie der verstorbene James Dean.
    Mit einer Stimme, fast so, als wäre sie in höchster Not,
schreit Julia: «Iss über dem Spül becken! Du machst den
Fußboden schmutzig, und die Putzfrauen waren gerade
erst da!»
    Die Putzfrauen sind ein Paar frisch eingewanderte Bra-
silianerinnen, nicht Schwestern, aber identisch gebaut, mit
breiten, wabbelnden Hinterteilen. Manchmal bilden sie
ein Trio, die Dritte schlanker, mit nussbrauner Haut und
riesigen Schokoladenaugen – und kein Wort Englisch.
    «Du bist so ein Schlamper!» , ruft seine Frau aus. «Deine
Mutter hat dir aber auch gar nichts beigebracht!»
    Owen würde Julia vielleicht widersprechen, wenn sie
bessere Laune hätte. Seine Mutter hatte ihm eine Menge
beigebracht, obwohl es jetzt, gegen Ende seines Lebens,
schwer ist, zu sagen, was. Ihre Weisheit, größtenteils ohne
Worte, war auf das Leben in Willow zugeschnitten – wie
man dort überlebte, wem man gehorchen und wen man
meiden sollte, wie man Selbstvertrauen bekam, das Gefühl,
wertvoll zu sein, das ihn für eine Zukunft fern von Willow
rüstete. Sie vermittelte ihm wenig über Haarekämmen
und Manieren im Allgemeinen, und entsprechend leicht
nimmt Owen solche Feinheiten. Er ist schlampig, aber er
ist auch empfindlich. Er isst nicht gern über dem Spülstein,
er kommt sich dann wie ein Hund über einem Napf vor. Er
möchte so essen, wie er es als Kind getan hat, als er durchs
Haus seines Großvaters gelaufen ist, mit einer Selleriestan-
ge oder einem Riegel Erdnusskrokant, herrlich unbeküm-
mert ob der herabfallenden Krümel. Die Mahlzeiten wa-           ren meist anstrengend: Grammy verschluckte sich oft bei
Tisch, als ihre Parkinson’sche Krankheit schlimmer wurde,
und seine Mutter saß manchmal rot vor Zorn und Erbitte-
rung am Tisch, und sein Vater, das traurige Buchhalterge-
sicht blutleer, wie es schien, rechnete womöglich aus, wie
viel es kostete, alle diese Münder zu füttern. Owen fand,
dass das, was er allein aß, beim Umherlaufen oder in abge-
legenen Ecken, am besten schmeckte. Er hat glückliche
Erinnerungen an einen Tastycake für sechs Cent, den er
nach dem Mittagessen auf dem Schulweg getreulich ver-
speiste, und wie er, als er älter war, in Alton umherstreunte
und Erdnüsse aus einer Tüte knackte, die noch warm vom
Rösten waren.
    Er macht seiner Frau keinen Vorwurf, dass sie mit ihm
schimpft, dass sie so leicht aufbraust. Er muss für sie per-
fekt sein, sonst hat sie einen lebenslangen Fehler gemacht.
Jeder hat den anderen teuer gekauft, und die Kosten ha-
ben nicht sie allein entrichtet. Ihren Widerwillen nimmt
er, wenn sie ihm Ausdruck verleiht, als Beweis für ihren
Wunsch hin, dass er höchsten Maßstäben gerecht wird. Sie
muss in ihm den perfekten Ehemann haben, um sich ge-
rechtfertigt zu fühlen. Sie will nichts von seiner Traumpar-
ty, damals in Middle Falls, hören, wo abenteuerhungrige
Frauen sich in bunte Porzellanpanzer kleideten.
     
    Seine Ehe mit Phyllis hatte vielleicht in den zwei Jahren
eine Wunde hinnehmen müssen, als er nach dem Korea-
krieg in der Army diente, wo er sich der Gesellschaft ra-
pide veraltender Riesencomputer erfreute, die mit ihren
dürftigen Gedächtnissen und

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