Landleben
wissenschaftlichen Laboratorien, und die Program-
mierer arbeiteten mit Lochstreifenlesern und Lochkarten und blieben der Computerzeit wegen die ganze Nacht auf.
Das Wort «Software» war entstanden, desgleichen «Bug»
für «Softwarefehler» und «Debugging» für die Beseitigung
von Fehlern. Bei IBM war FORTRAN entwickelt worden,
hauptsächlich für wissenschaftliche Zwecke, und COBOL
60 – Common Business Oriented Language 1960 – mach-
te den Computer bereit zur Anwendung für geschäftliche
Zwecke. Die Welt der erschwinglichen PCs war noch zwei
Jahrzehnte entfernt, aber ein IBM-Kollege in dem Bienen-
haus in der Madison Avenue, Ed Mervine, begann Owen
zu umwerben, beim Mittagessen in der Kantine der Firma,
wo jede der eierschalenfarben gestrichenen Wände deko-
riert war mit einem schmucklosen Schild, das den berühm-
ten Imperativ des IBM-Präsidenten Watson trug: THINK.
Ed, der aus der Bronx kam, hatte eine lässige, hämmernde
Art zu sprechen, die überraschend wirkungsvoll war. Über
ihre Tabletts hinweg sagte er vertraulich: «Weißt du, O.,
da draußen ist eine ganze Welt mittelgroßer Unternehmen,
die ein paar hunderttausend Dollar für Hardware ausge-
geben haben, mit der sie nicht umgehen können. Wenn
die Preise runtergehen, wird es noch mehr davon geben.
Herstellende Betriebe, Vertriebsfirmen, diese neuen Fran-
chise-Unternehmen, kleinere Fluggesellschaften, Banken,
Architekturbüros. IBM und Sperry Rand können sich um
die nicht kümmern, sie geben sie ab, an irgendwelche Är-
sche.»
Ed war der erste Erwachsene, dessen Interesse an Owen
groß genug war, dass er ihm einen Spitznamen gab: «O». Er
erinnerte Owen an Buddy Rourke – das gleiche struppige,
nach vorn stehende Haar, sodass die Stirn niedrig wirkte,
die gleichen großen Zähne, die in Eds Fall in seiner Kind-
heit mit Zahnklammern so gerichtet worden waren, dass sie ein wenig falsch aussahen, als wären sie nicht ganz das,
was sein Gesicht beabsichtigt hatte. Ebenso wie Buddy war
Ed drei, vier Zentimeter größer als Owen, doch anders als
Buddy war er jünger, gerade um so viel jünger, dass er ver-
trauter war mit Maschinen, die den Menschen beim Den-
ken halfen – Tausende von winzigen Gedanken, oder Bit-
Transaktionen, in der Sekunde. Owen erschien es wie ein
Wunder, Ed nahm es als Tatsache hin.
«Was schlägst du also vor? Dass wir die besseren Ärsche
werden?»
«Du hast es erfasst. Kluger Junge. Vertraglich vereinbar-
ter Programmierungs- und Beratungs-Service. IBM saugt
uns das Blut aus, und irgendwann in den nächsten Jahren
geht der Laden den Bach runter. Die Firma ist einfach zu
groß. Kleiner ist besser, beweglicher. Die Hardware wird
exponentiell kleiner. Niedrige Gemeinkosten – das ist der
einzige Weg, Schritt zu halten und die jeweils nächsten
möglichen Schritte zu erkennen. Man muss das Unterneh-
men da aufziehen, wo die Kosten niedrig sind, und dann
sehen, was sich entwickelt.»
«Wo sind die Kosten niedrig?»
«Jenseits des Computer-Gürtels. Hinter Stanford. Hin-
ter New Haven sogar. Im tiefen Connecticut.»
«Und wer soll das machen, Ed? Du und ich?»
Ed war nicht verheiratet. Er war von jener geschlechts-
losen Aura umgeben, die den wahren Computer-Fan aus-
zeichnete: schlechte Luft, chinesisches Essen in Papp-
schachteln, Schokoriegel und um zwei Uhr früh Coca-Cola.
Seine Haut war schwitzig, er hatte zwanzig Pfund Über-
gewicht, der Button-down-Kragen seines Hemds bauschte
sich um den Knoten seiner schief sitzenden, fleckigen Kra-
watte. Seine Zähne, künstlich wirkende Hauer, säuberte er mit dem Zeigefinger, der Zunge, wobei er wie ein Schim-
panse die Oberlippe zurückzog. Er sagte: «Warum nicht?
Deine Frau hat wieder eins in der Röhre. Du hast mir erst
gestern erzählt, dass du keine Wohnung finden kannst, die
Phyllis gefällt und die du bezahlen kannst.»
Owen begriff, dass ihm ein Antrag gemacht wurde. Ir-
gendwie war er begehrenswerter geworden seit dem Nach-
mittag, als Buddy Rourke über sein liebevoll aufgebautes
Monopoly-Spiel gespottet hatte. «Ed, ich bin nicht aus der
Stadt wie du. Ich komme aus der tiefen Provinz, und ich will
da nicht wieder hin. Überall Fliegen, Schmutz – Jesus Chris-
tus! Man verblödet da.» Er zögerte, brauchte mehr Zeit. Er
dachte an Elsie, an den Abend in dem Waldstück ihres Va-
ters, an ihren seidigen, geschmeidigen, von einem sexuellen
Willen beseelten Körper, an die kriechenden Lebewesen,
die um sie herum riefen und
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