Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
Vom Netzwerk:
hatte. Ein Glücksgefühl drängte aus
seinem tiefen Innern herauf, ließ ihn größer werden und
machte seine fließenden Bewegungen noch geschmeidiger;
er fühlte sich gesehen, ohne genau zu wissen, von wem oder
wie ernsthaft er wirklich beobachtet wurde. Er war reifer
geworden, ohne es richtig zu bemerken, doch andere spür-
ten es. Ein weiterer Schritt in seiner Bildung war fällig.
     
    Die Dunhams gaben im Mai gern eine große Party, um das
Ende des Winters zu feiern. Das Wetter war noch ungewiss,
aber in ihrem Haus – einem verwinkelten Queen-Anne-
Haus hinter einem hohen palisadenartigen Zaun – fanden,
die lange Veranda eingerechnet, notfalls hundert Personen
Platz. Bei Partys waren sie in ihrem Element: Jock trank
gern, und Faye machte sich gern zurecht, in Gewändern,
die sie selbst erfand. Sie hatte ein hohes, durchdringendes
Lachen, krauses kupferfarbenes Haar und knochige Hände
mit roten Nägeln, die ständig in Bewegung zu sein schie-
nen. Sie brachte einen Raum zum Leuchten.
    An jenem Samstag im Mai war es sonnig und warm – der
büschelige Rasen war von einem saftigen jungfräulichen
Grün, die Eichen über ihnen waren noch nicht voll be-
laubt, und die blühenden Azaleen ließen ein paar rosa Blü-
tenblätter fallen. Gegen Ende des vorangegangenen Jahrs     war Präsident Kennedy erschossen worden, und Phyllis
hatte ein viertes Kind geboren, die helläugige, süße und
freundliche Eve; beide Ereignisse hatten Owen ein we-
nig verunsichert, er empfand seine Sterblichkeit. Eve war
eine Woche früher als vorhergesagt gekommen, und er war
in Kalifornien gewesen, bei Fairchild Semiconductor, um
sich darüber auf dem Laufenden zu halten, welche Bedeu-
tung die neuen integrierten Schaltkreise für die Kunst des
Programmierens haben mochten; Ed hatte, als die Wehen
einsetzten, Phyllis zum Krankenhaus in Hartford gefahren.
Die Krankenschwestern hatten ihn irrtümlicherweise für
den Vater gehalten.
    Als die Schatten unter den Eichen dichter geworden und
die Drinks den Gästen zu Kopf gestiegen waren, kam Fay
Dunham zu Owen herüber und sagte: «Owen, du wirkst in
letzter Zeit etwas niedergedrückt.»
    «Niedergedrückt? Ich?»
    Als müsste sie in ihren Espadrilles mit den Bindfaden-
sohlen auf dem weichen Rasen festeren Halt suchen, legte
sie die Fingerspitzen ihrer rechten Hand auf Owens Unter-
arm im karierten Ärmel. Die Madrasjacke war neu in die-
sem Frühjahr, und er trug sie bei der Party der Dunhams
zum ersten Mal. Er lernte noch, was Kleidung betraf. «Du
bist sonst immer so ausgelassen», sagte sie. «So froh, hier
zu sein.» Sie trug ein glitzerndes braunes Mieder und dazu
einen langen Rock, den sie sich aus dem grünen Tuch einer
Billardtischbespannung genäht hatte. Ihr krauses dichtes
Haar, dessen kupfernes Glitzern von der schräg stehenden
goldenen Sonne verstärkt wurde, war locker gebündelt
und wurde von einem hohen spanischen Kamm gehalten,
dessen Schildpatt mit silbernen Arabesken verziert war.
Sie funkelte, ja, Faye funkelte. Sie war die Frau, die in ei-       nem Raum sofort auffiel mit ihrem unvermittelten schril-
len mädchenhaften Lachen. Owen war seit seinen ersten
Wochen in Middle Falls tief beeindruckt von ihr, obwohl
sie und Jock sich, seinem Gefühl nach, in etwas anderen
Kreisen bewegten, auf einer höheren Ebene des Reisens,
des Konsums, des Luxus.
    «Hier in Middle Fall oder hier bei den Dunhams?»
    «Beides?»
    «Diesen Kamm da», sagte er, um ihren verstörend inten-
siven, eine Spur glasigen Blick abzulenken, «habt ihr den
in Spanien gekauft?»
    Sie lachte, ein Lachen, das schnell wie von einem Nach-
gedanken hinter gekräuselten Lippen abbrach, mit einem
Blick zur Seite, bei dem er ihre scharfe Nase im Profil sah.
«Jock verabscheut Spanien, er sagt, das sind alles Zigeu-
ner oder Faschisten. Eigentlich mag er nur England, wo
sie seine Sprache sprechen, obwohl er findet, dass die Öff-
nungszeiten der Pubs lachhaft sind.» Während sie sprach
und Owen ansah, weiteten sich ihre Augen, als wollte sie
sagen, dass Jock eigentlich nicht ihr Thema war. Ihr Ge-
sicht, knochig und schmal, schien ein bisschen zu klein für
ihre Züge – die großen haselbraunen Augen, den beweg-
lichen Mund, die geschwungenen Augenbrauen, dunkler
nachgezeichnet als ihr Kopfhaar. Aber ihre Hüften in dem
Billardtuch waren breit, und ihre Oberarme, nackt und
weiß, waren mit Sommersprossen übersät, die wie kleine
Nadelstiche aussahen; sie war ganz und gar wirklich, nicht
ein

Weitere Kostenlose Bücher