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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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matt wie bei einem amerikanischen
Ureinwohner, wurde von einem weiteren dieser nützlichen
elastischen Ringe gehalten. Sie hatte nicht nur die adipo-
se Form einer Robbe, sondern auch die Art der Robben,
sich in der Sonne zu aalen, wenn sie faulenzte, die Augen
halb geschlossen, hoch über den Müttern und Kindern und
den heranwachsenden Jungen, deren Raufereien und nas-      ses Getobe drüben bei der Seilschaukel sie gelegentlich
veranlassten, sich aufzurichten und heftig die Trillerpfeife
zwischen ihren mit Zinkoxidsalbe bestrichenen Lippen zu
blasen.
    Hier, an diesem sanft umspülten Halbmond herbeige-
karrten Strands, bräunten sich die lebenslustigen jungen
Mütter in Bikinis, oder sie plauderten, wenn das Seewas-
ser zum Herbst hin abkühlte, die kleineren Kindern sich
dort aber noch vergnügten, an Picknicktischen, rauchten
Zigaretten und naschten von dem, was sie ihren Kindern
zum Essen eingepackt hatten: «Ich habe mir geschworen,
ich würde nie wieder Marshmallows essen, und da sitze
ich nun und bin absolut süchtig nach dem Zeug! Erdnuss-
butter und Gelee, kein Wort davon – es macht mich dick!
Aber es ist so viel einfacher, auch ein Brot für Mommy zu
machen, wenn man für mittags Brote für sie macht!» Das
war Alissa Morissey, die vielleicht mit Faye Dunham und
Imogene Bisbee sprach. Sie waren Neue als Mütter und
neu füreinander und hatten schnell eine Vertrautheit her-
gestellt, die es ihnen erlaubte, auszusprechen, was ihnen
gerade durch den Kopf ging. Für Owen hatten sie einen
kollektiven Reiz, wie ihn in seiner kärglichen Kindheit
Ginger Bitting und ihre braunbeinigen Satelliten gehabt
hatten. Aber jetzt war er dichter bei ihnen, als wäre er von
der Mifflin Avenue in die Second Street umgezogen. Sei-
ne Frau, die eine Vorliebe fürs Sonnenbaden hatte, und ihr
Trio kleiner Kinder – das jüngste hieß Floyd, nach seinem
Großvater väterlicherseits –, gesellte sich zu ihnen. Sie be-
richtete ihm: «Sie sind wie die Army-Ehefrauen, nur nicht
so derb und geistlos. Sie sind nett, vielleicht ein bisschen
oberflächlich. Anscheinend denken sie dauernd an andere
Leute – an ihre Kinder und ihre Männer. Und aneinander. Wenn eine von uns nicht aufkreuzt, kriegt sie es ab. Aber
auf denkbar nette Art.»
    In Middle Falls wurden alle Persönlichkeiten studiert,
umschwärmt und verherrlicht. Die Frauen herrschten – sie
liehen ihren Männern Faszination. Ehemänner und Ehe-
frauen waren biforme Kreaturen, halb transparent, sodass
einer jeweils durch den anderen gesehen werden konnte,
wenn auch unvollkommen. Diese Absonderlichkeit war
Teil ihrer Anziehungskraft und der allgemeinen Komödie
in der Folge von Partys, Treffen, Spielen, Picknicks, im-
provisierten Lunches, Imbissen, Gourmet-Abendessen,
Laientheater-Aufführungen, Chorproben, vogelkundlichen
Spaziergängen, Kanufahrten, Ski-Ausflügen und trägen,
leicht alkoholisierten Zusammenkünften an Sonntagnach-
mittagen, die dafür entschädigten, dass die Stadt von den
Vergnügungen der Großstadt abgeschnitten war. Die Kin-
der waren der vorgebliche Grund für vieles – das Skifahren,
das Schlittschuhlaufen, das Drachensteigenlassen im April,
das Muschelessen im August – und zugleich war vieles da-
von eine Möglichkeit, den Kindern zu entfliehen, selbst
wenn sie dabei waren und einem drängelnd und quengelnd
zwischen den Füßen hockten oder mit müden Augen am
Rande des Rasens saßen, während ihre Eltern, vielleicht
bei einem Volleyballspiel, in der Hitze herumsprangen und
dem Ball nachjagten. Die Frauen spielten zusammen mit
den Männern, und ihre leicht blaue Flecke davontragen-
den Körper wurden angerempelt und gestoßen, doch sie
spielten weiter – barfuß und leicht bekleidet – und nah-
men ihren Platz ein wie bei einem ländlichen Reigen. Sol-
che Riten waren Owen fremd, und sie bezauberten ihn.
    Er war recht eigentlich, das begriff er in Middle Falls,
ein erstaunlich unwissender und unvollständiger Mensch. Seine Sozialisierung war kaum über den Spielplatz in Wil-
low hinausgekommen. MIT und IBM waren soldatische
Bruderschaften gewesen, wo jeder mit seinem eigenen
Überleben beschäftigt war, mit seinem Blatt Papier oder
seinem Computer-Monitor, seiner Logarithmentafel oder
seinem Rechenschieber. New York hatte ihn weiter ein-
geengt, ihn dichter an eine Frau gedrängt, die zwar in der
sozialen Pflicht stand, ihn zu lieben, aber nicht, ihn so zu
sehen, wie seine Mutter ihn gesehen hatte, irgendwie hef-
tig, wie einen Schatz

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