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Landleben

Landleben

Titel: Landleben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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besessen, ehe sie sich einen Studebaker-Lark-Kombi
anschafften, der sich bei Schnee schlecht fahren ließ und
bei Regen manchmal nicht ansprang. Nachdem sie zwei
Jahre lang in einer gemieteten, mit Schindeln verschalten
Doppelhaushälfte gewohnt hatten, unmittelbar vor der
heruntergekommenen, verkehrsreichen Common Lane,
fühlten sie sich in der Lage, ein Haus zu kaufen, das we-      niger zentral lag, in der bukolischen Partridgeberry Road,
mit einem großen Garten für die größer werdenden Kinder
und einem Stückchen Wald hinter einem Teich, der von
Seerosen erstickt wurde und den eine einbrechende Holz-
brücke zierte. Roscoe Bisbee, einst ein Junge vom Lande,
aus Vermont, übernahm es, Owen beim Wiederaufbau der
Brücke zu helfen, und erklärte ihm, wie man einen Rasen
mit Kalk düngte, wie man Löwenzahnvertilger anwandte,
wo man den besten Rasenmäher kaufte. Rasenmäher, Dün-
gemittelstreuer, Pfostenlochstecher, Schaufeln und Har-
ken – alles musste nach und nach angeschafft werden. Die
Bäume im Wald und im Garten machten eine Kettensäge,
eine Strecksäge, eine schwedische Bandsäge erforderlich.
Für Reparaturen im Haus wurden nicht nur Hammer und
Schraubenzieher benötigt, sondern auch eine Gestellsäge
für genaue diagonale Schnitte, und ein elektrischer Bohrer
mit einem Kasten Bohrereinsätze, von denen der kleinste
nadeldünn und der größte dick wie ein Bleistift war, und
Schraubenschlüssel, die von drei sechzehntel Inch bis zu
drei viertel Inch maßen, und einen blauen Tacker. Owens
Keller war bald so eindrucksvoll ausgestattet wie jene, die
er in Willow neidvoll gesehen hatte, mit ihren holzverklei-
deten und mit Linoleum ausgelegten Hobbyräumen und
einer Weihnachtslandschaft auf einer aufgebockten Sperr-
holzplatte.
    Die Stadt kam ihm vor wie ein pädagogisches Spielzeug –
das Lebkuchenrathaus, der hohe Fahnenmast, die zweistö-
ckigen Geschäfte im Zentrum mit den Falsches vortäu-
schenden Fassaden, der hübsche Knick in der River Street,
wo sie vom Fluss abwich und den Hügel hinaufkletterte, zu
den Kirchen und dem Friedhof und zu den verblassenden
Backstein-Herrenhäusern derer, die alten Reichtum besä-    ßen, den Reichen der Yankee-Mühlen. Im Zentrum gab
es – es war die Zeit vor den Einkaufszentren – ein ange-
messenes Angebot an Waren und Dienstleistungen: zwei
Eisenwarenhandlungen, eine Holzhandlung, zwei Banken,
drei Friseure, einen Juwelier, ein Woolworth, einen alt-
modischen Acme-Supermarkt mit engen Gängen, ein Be-
kleidungsgeschäft für Arbeits- und Kinderkleidung, einen
Zeitungsladen, wo auch Tabakwaren und Süßigkeiten und
Zeitschriften und Bücher verkauft wurden, sogar ein Mö-
belgeschäft, in der Nähe des stillgelegten Bahnhofs, neben
einem Händler für Fahrräder und Sportausrüstungen – es
gab nur wenig, wofür man die Stadt verlassen musste, und
Owen tat es immer seltener. Wenn er mit brennenden Au-
gen und leichter Übelkeit vom Nikotin aus dem Fabrikge-
bäude kam, wo E-O Data seine hellen, von Geschäftigkeit
surrenden Räume hatte, sah alles, jede Backsteinecke und
jeder schiefe Schatten eines Straßenschilds, wie ein Pro-
blem aus, das auf einen Programmierungscode reduziert
werden musste. Er fühlte sich, wenn er auf die Quadrate
des glitzernden Gehwegs trat, jugendlich und kraftvoll, er
hatte den bescheidenen Erfolg von DigitEyes sicher hinter
sich und andere, noch triumphalere Erfolge mit Gewissheit
vor sich. Er bog um die Ecke, ging die River Street entlang
und betrat zum Lunch eins von drei möglichen Lokalen,
grüßte unterwegs, in sommerlichem Sonnenschein oder in
winterlichem Schneematsch, immer mehr vertraute Gesich-
ter. Auf den Gehwegen von Middle Falls genoss er das erhe-
bende Gefühl, bekannt zu sein, von beobachtenden Augen
begleitet zu werden, so wie damals, als er ein Kind war in
Willow und auf Rollschuhen oder einem Roller dahinsaus-
te und einen Karren voller Kastanien hinter sich herzog,
oder auf seinem rostigen Schwinn-Fahrrad zum Steinbruch radelte: nicht gerade eine Berühmtheit, aber doch jemand, so wie Kleinstädte, wenn sie nur klein genug sind, jeden
zu einem Jemand machen. Wenn er auf diesen Gehwegen
eine Frau erblickte, die er und Phyllis kannten, eine Frau
aus ihrem kleinen Kreis, die mit einem Kind zum Friseur
oder in das Bekleidungsgeschäft oder in den Spielzeug- und
Kramladen ging, der Knacks hieß, dann hatte er das Gefühl,
dass ihr grüßendes Lächeln eine Blume war, die sie ihm
an die Brust gesteckt

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