Landleben
zwischen ihren
Zähnen hindurch, als könnte man sonst, was sie sagte, von ihren Lippen lesen: «Mein Psychiater möchte, dass ich dir
eine Frage stelle.»
«Im Ernst? Was denn?»
«Rate mal.»
Seine Gedanken flatterten gehorsam umher – verdutzt
von der Neuigkeit, dass sie zu einem Psychiater ging –, fan-
den aber keinen Anhaltspunkt. «Ich passe.»
«Es ist so offenkundig, Owen. Er möchte, dass ich dich
frage, warum du nicht mit mir schlafen willst.»
Er hatte das Gefühl, dass sein ganzer Körper errötete,
wie in heißes Wasser getaucht. «Ich will ja. Aber –»
«Aber da ist deine reizende Frau.» Fayes kleines Gesicht
mit seinen großen Zügen wirkte raubtierhaft, als sie bei
den letzten Worten die Lippen zurückzog.
«Ich wollte sagen: Aber wie stellen wir es an?»
Sie öffnete den Mund zu einem Lachen, aber in ihrer
Anspannung brachte sie keinen Laut hervor. Auch sie spür-
te das heiße Wasser. «Dabei bist du so klug, höre ich, und
kannst das Innere von Computern ordnen. Weißt du, wie
man das Telefon benutzt, oder ist das zu simpel?»
Doch es war keineswegs simpel: Sein Telefon bei E-O
Data, wo sein Schreibtisch nur durch eine brusthohe Trenn-
wand von Eds getrennt war, bot keine Privatsphäre, und
wenn Phyllis außer Haus war, dann waren da noch Grego-
ry und Iris, jetzt acht und fast sieben, mit großen Ohren
und der arglosen Neugier von Kindern. Faye anzurufen
war, verglichen mit einem Flirt mit ihr, ein ernster, unum-
kehrbarer Schritt; man konnte es nicht als etwas anderes
darstellen oder als einen Teil normalen Lebens abtun. Er
schob es mehrere Tage hinaus und tat die zum normalen
Leben gehörenden Dinge mit einem Kribbeln im Körper
und einem benommenen, schuldbewussten Kopf – schuld- bewusst hauptsächlich gegenüber Faye, weil er auf ihr un-
missverständliches Angebot nicht einging. Wenn er sich
neben Phyllis schlafen legte, wirbelten in seinem Kopf
Teile der anderen Frau umher – die inneren Wölbungen
der zwei scheuen, flachen Brüste, die ein bestimmtes, tief
ausgeschnittenes Kleid offenbarte, der glasige, kühne Blick
ihrer trübgrünen Augen, wenn sie ein bisschen zu viel ge-
trunken hatte, die vor Nervosität feuchtwarme Hand, wenn
sie seine berührte, der Ausdruck, den ihr Gesicht annahm,
wenn sie erregt und belustigt war, ganz Augen und Mund,
und dann das ironische Kräuseln der Lippen, wenn sie jäh
ein Lächeln abbrach. Er hatte Mühe zu schlafen und gab
Phyllis die Schuld. Er hatte das Gefühl, wenn Faye nur ne-
ben ihm läge, würde er auf der Stelle einschlafen. Es war
wie damals, als er sich neben Ginger Bitting auf dem Dach
des Schuppens am Spielplatz ausstrecken wollte.
Es gab an verschiedenen Stellen in Middle Falls öffentliche
Telefone. Schließlich wählte er eines am Rande der Stadt,
nach Upper Falls hin, an dem Stück des Highway, wo frü-
her Obstgärten und Milchfarmen gewesen waren und sich
nun Fast-Food-Kettenlokale ausbreiteten sowie Discount-
läden in Schlackensteinbaracken, die Fußbodenbeläge und
Kacheln verkauften. Lastwagen donnerten vorbei, sie er-
stickten die schwachen, kratzigen Worte am anderen Ende
der Leitung und pusteten spätsommerlichen Straßenstaub
in Owens Lungen. «Hallo?» Es war Faye, er war sich sicher,
ihre Stimme, körperlos, hatte ein Altstimmentimbre, das
ihm nie aufgefallen war, eine Gelbfärbung, Gegenpol zu
dem hohen Fledermausschrei ihrer Lache.
«Hier ist Owen Mackenzie», sagte er, für den Fall, dass
jemand anders zuhörte. Wenn das so war, würde ihre ge-dämpfte Stimme ihm das mitteilen, und er würde fragen,
ob er neulich abends zufällig seine Lesebrille habe liegen
lassen, als sie zu viert, spontan nach dem Volleyball, bei
ihnen mit ihren Kindern Pizza gegessen hatten. Es sei eher
unwahrscheinlich, würde er weiter sagen, aber er habe überall
sonst nachgesehen, und es mache ihn noch ganz verrückt. Als sie
schwieg, fing er an: «Ich rufe an, um zu fragen, ob ich zufäl-
lig meine Lesebrille –»
«Owen», hauchte sie. «Endlich.»
«Du hast gesagt, ich soll anrufen.»
«Und du hast es nicht getan. Eine Woche lang ...!»
«Ich hatte Angst.»
«Warum? Es ist doch alles ganz natürlich, Owen. Es pas-
siert andauernd. Es verletzt meine Gefühle, dass du nicht
eher angerufen hast.» Ihr Alt hatte einen singenden, einlul-
lenden Unterton, der ihm vorher nie aufgefallen war.
«Es tut mir Leid. Wie gesagt, ich –»
Während er überlegte, wie er es vermeiden konnte, sich
zu wiederholen, sagte Faye:
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