Landleben
von unendlichem Wert – sie selbst
hineinprojiziert in Männlichkeit und weiter gespannte
Möglichkeiten. Auch Grammy mit ihren trüben Augen
und ihrer schiefen Silberrandbrille hatte ihn gesehen und
über alle Maßen geliebt. Einmal, als er in seinen kurzen
Hosen durch den Garten gerannt kam, hatte er gespürt,
dass sein Darm sich regte und er nicht in der Lage war,
es zurückzuhalten, und er rannte weinend zum Haus, und
Grammy hatte ihm mit wortlosem Schnalzen den gelben
Durchfall von den Beinen gewischt. In seinen Träumen ge-
schah es wiederholt, dass sein Gedärm überfloss und seine
Exkremente sich über den Boden ergossen, seinen ganzen
Körper verdreckten und den Raum mit Gestank erfüllten,
wo andere, nur Zentimeter entfernt, bei einer Dinnerparty
zusammensaßen. Trotz seiner guten Noten und Prüfungs-
ergebnisse hatte er von grundlegenden Vorgängen so wenig
Ahnung, dass er in seinem ersten Jahr am MIT wochenlang
den Bezug seines Kopfkissens nicht wechselte und sich wie
ein Dummkopf darüber wunderte, dass er nach und nach
grau wurde. Grammy und seine Mutter hatten seine Wä-
sche gemacht; er hatte nie darüber nachgedacht, wie seine
Socken wieder in seine Kommode gelangten, sauber und
zusammengerollt, nachdem er sie irgendwo auf den Fußbo-den hatte fallen lassen. Es war ihm nie in den Sinn gekom-
men, kochen zu lernen. Er überließ das alles Phyllis, die
mit Floyd, dem Baby, auf der Hüfte und den beiden zan-
kenden Kleinkindern vor ihren Knien in der Küche stand.
Seine Familie hatte kein Geld für alkoholische Getränke
gehabt, deshalb verstand er deren Reiz nicht und wusste
nichts über Portionen und Gewohnheiten. Er überließ es
Phyllis, die Drinks zu mixen bei den seltenen Gelegen-
heiten, wenn sie ein anderes Ehepaar zu Gast hatten, in
New York oder, noch gestelzter, während seiner Militärzeit
in Deutschland – mit Leuten, die sie, wie sie wussten, in
ihrem Leben nie wiedersehen würden.
Jetzt wurde dauernd eingeladen, und das ganze Wo-
chenende über fanden Spiele statt. Die einzigen Spiele,
die er kannte, hatte er auf dem Spielplatz in Willow ge-
lernt – Box-Hockey, Halma, Siebzehnundvier und Pferd,
Spiele, bei denen einer nach dem andern ausschied und
die ein paar Spieler um ein Basketball-Brett herum spielen
konnten. In den ersten Jahren in Middle Falls, als er drei-
ßig wurde, lernte er in den Grundzügen Tennis und Golf,
Paddle-Tennis und Skifahren, sowohl Langlauf als auch
Abfahrtslauf. Er lernte in tiefem Wasser zu schwimmen,
ohne in Panik zu geraten, oder mit den Skilifts in den Berk-
shires zu fahren und die Ruhe zu bewahren, wenn die Sitze
in großer Höhe über Kliffs aus Eis und Granit schaukelten.
Auf Eishockey und Reitsportarten verzichtete er bereitwil-
lig, obwohl die Männer unter ihren neuen Bekannten von
Kindheit auf Ersteres und die Frauen Letzteres vollendet
beherrschten. Er lernte Bridge spielen und lernte, bis zu
einem gewissen Grade, tanzen, obwohl ihm nie ganz wohl
war, wenn er eine Frau in Armen hielt und seine Füße ent-
schieden auf sie zubewegen musste. Vom Engtanz wurde er erlöst, als Twist in Mode kam und danach das wilde freie
Tanzen, was seinen schlaksigen Gliedmaßen und Einzel-
gängergepflogenheiten entgegenkam.
Middle Falls war für Owen ein Institut für Mittel-
schichtsbildung. Der stämmige, rotgesichtige Jock Dun-
ham, der eine reizende geschmeidige Frau mit einer der-
ben Lache hatte, zeigte ihm, wie man einen Martini, einen
Brandy-Stinger, eine Weißweinschorle mixte und einen
Old-Fashioned (man verrührt den Zucker in ein bisschen
Wasser, bevor man Eis und Bourbon dazugibt). Der nach-
denkliche, Pfeife schmauchende Henry Slade, der in der
Steuerbehörde Papiere wälzte, war geschickt im methodi-
schen Haushalten und erklärte Owen, wie man frisch ge-
schlagenes Holz ein Jahr lang draußen und dann weitere
zwölf Monate in einem besonders trockenen Keller stapel-
te, damit man ein sauberes Feuer im Kamin hatte. Seine
Frau Vanessa, keine Schönheit, war in Bürgerangelegen-
heiten aktiv, hatte breite Schultern, dichte Augenbrauen
und einen verstörend direkten, abschätzenden Blick; sie
instruierte das neue Paar, wie man, bei lokalen Wahlen,
wählte, wann man den Müll rausstellen musste und wie
er zu sortieren war. Ian Morissey, ein freiberuflicher Illu-
strator, hatte ein alterndes Thunderbird-Cabrio und einen
neuen grünen Jaguar und gab seine Automobilkenntnisse
bereitwillig weiter; die Mackenzies hatten noch nie ein
Auto
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