Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer
heulen. Zum Glück habe ich Matti. Ich hätte gleich IHN fragen sollen, ob er mich zu meinem Haus begleitet. Nicht David, diesen Idioten, der sich seit (ein Blick auf das Handy) 37 Stunden nicht meldet. Der hat doch eigentlich Schuld an dem Unfall! (Ob dann Davids Haftpflicht zahlt? Wohl kaum. Glaube auch nicht, dass er die unbekannte Nummer war, die vor dem Unfall angerufen hat …) Na ja, das Gute ist: Ohne Auffahrunfall würde ich jetzt nicht im Auto dieses Fremden sitzen, diesem Freund vom Froschmann. Der sieht echt ziemlich gut aus. (Sagte ich das schon?) Braungebrannt und smaragdgrüne Augen, in denen sich die Sonne fast so schön bricht wie auf dem Wasser der kleinen Flüsse links und rechts. Älter als ich und auch als der Froschmann, aber schwer zu schätzen. Einer von diesen jungenhaften Typen, könnte Anfang oder Mitte vierzig sein. Und, im Gegensatz zu dem Idioten mit der Anglerhose, voll der Gentleman. Hat mich ungefragt zur nächsten Werkstatt abgeschleppt (also den Saab, nicht mich …), kutschiert mich jetzt zu meinem Haus (das er anscheinend kennt). Und … ähh … streckt mir gerade seine Karte entgegen, damit ich ihn später anrufen und er mich zum Bahnhof bringen kann, denn mit den Öffentlichen scheint’s hier schwierig zu sein … Torben Kühn. Tierarzt. Wenn das mal kein Name ist. Und wie er lächelt. David kann sich schon mal warm anziehen! – Vielleicht sollten wir einen Quickie auf der einladenden Rückbank dieses Landrovers …? Oder in einem dieser verwunschenen Wäldchen? Ist schon echt hübsch hier. Mist, ich glaub, wir sind schon da. Er biegt ab. Ist das etwa mein Haus?!! Wow. Aber wieso parken wir denn hier? Da liegt ja noch ein Fluss dazwischen. Soll ich da jetzt etwa rüberschwimmen?
14:20. Das Haus der Schwestern in Feulenitz
Wie süß! Mein Haus liegt auf einer Insel und ist nur mit einem Bötchen zu erreichen. Torben hat mich netterweise rübergeschippert, das war fast wie in einer venezianischen Gondel! Und erst das Haus. Das ist der Wahnsinn! Ein altes, wunderschönes Bauernhaus mit bunten Fensterläden und einer verschnörkelten Eingangstüre. Nach den Fenstern zu schließen, gibt es eine Menge Zimmer. Hier unten muss wohl die Küche gewesen sein. Schöne alte Küchenvitrine, Holzfußboden! Schade, dass ich keinen Schlüssel habe, durch die Fenster kann man ja kaum was sehen.
14:20. Flieger Tokio–Frankfurt. Landeanflug
»Vorläufiger Sachwert (Gebäude, Außenanlagen, Bodenwert): 288.699,84 Euro.« Das wäre ja okay, aber hier kommmt’s: »Unterstellte Modernisierungsmaßnahmen (Verbesserung der Leitungssysteme Strom, Gas, Wasser, Einbau einer neuen Sammel- bzw. Etagenheizung, Wärmedämmung, Einbau von Bädern/WCs, Modernisierung des Innenausbaus, u. a. Decken, Fußböden, Treppenraum, Einbau von isolierverglasten Fenstern …): insg. geschätzte 200 000 Euro«. Allein an Sanierungskosten!! Außerdem liegt das Grundstück im Überschwemmungsgebiet, das gibt noch mal einen Abzug. Marktangepasster Sachwert daher am Ende: schlappe 80 000 Euro. Hätte ich mir denken können, dass der alte Kasten nicht mehr viel wert ist. Ist ja schon damals immer nur beigeflickt worden. Fehlte eben alles. Und nach der Wende hatten die vermutlich auch kein Geld, um das Haus zu sanieren. Aber das Grundstück! Das lohnt sich, trotz oder gerade wegen der Nähe zum Spreewaldfließ. Also, ich denke: gewinnbringend verkaufen.
Was fuchtelt die denn schon wieder so rum? Ach so, ja, der Laaaandeanflug. Ich bin ja gleich fertig.
14:22. Das Haus der Schwestern in Feulenitz
Ich glaub, das könnte man ganz schick renovieren. Den Boden abschleifen, die Fenster neu streichen. Gut, ein paar der alten Möbel müssen raus. Aber sonst? Für ein Wochenendhaus und ausgelassene Partys reicht’s allemal! Hier können ja sicher zwanzig Leute pennen. – Gehört die schnuckelige alte Remise etwa auch noch dazu? Sieht irgendwie bewohnt aus.
14:25. Flieger Tokio–Frankfurt. Über dem Frankfurter Flughafen
Um Martha muss ich mich dann auch noch kümmern, im Testament steht ja: »Einschränkend beschwere ich meine beiden Erben – Iris Neuberger und Mia Mann – mit folgendem Vermächtnis: Martha Dubizak erhält die Remise auf dem Grundstück und lebenslanges Wohnrecht«. Die kühle Martha. Oma Hedwigs Freundin. Im Dorf munkelte man damals, da sei mehr zwischen den beiden als nur Freundschaft. Weil sie zusammen auf dem Hof gelebt haben. (Ts, ts. Potentiell war im Dorf ja jeder irgendeiner Schandtat
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