Landluft für Anfänger 01: Großstadtmädchen haben's schwer
Deswegen war er auch so gnädig bei dem Autoschaden. Linksverkehr – da braucht er sein Auto gar nicht! (Toll, jetzt ist das Toilettenpapier auch noch alle. Und ja, bevor jemand fragt: Ich wäre mit Einkaufen dran gewesen.) – Scheiße, wer rüttelt denn jetzt an der Tür? Wenn das David ist, war’s das mit uns. Eine verheulte Prinzessin in einem Berg aus verrotztem Toilettenpapier, gehüllt in ein verschlissenes Minnie-Mouse-T-Shirt, die weint, bloß weil ihr Mitbewohner auszieht – die schlägt jeden halbwegs vernünftigen Mann in die Flucht! Oh Gott … Mein Gesicht ist wirklich total verquollen … vielleicht kaltes Wasser … »Mia? Alles in Ordnung?« Puh. Nur Matti. Gott sei Dank.
4:30. Berlin. Mias Schlafzimmer
Als Matti mein verheultes Gesicht gesehen hat, hat er mich (und Minnie Mouse) erst mal in den Arm genommen und fürsorglich die Küchenrolle aus seinem Zimmer geholt. (Manchmal bin ich doch froh, dass Matti diesen spießigen Unsinn kauft.) Dabei ist er rot geworden (weil ich ahnte, warum die Küchenrolle in seinem Zimmer neben dem Bett stand …). Den Tee hab ich aber abgelehnt. Als ich zurück in mein Zimmer wollte, hat er mich plötzlich ganz ernst angesehen und gesagt, vielleicht täte uns ein wenig Abstand ja auch ganz gut. Es hätte ja keinen Sinn, mit einer Frau zusammenzuwohnen, mit der man gerne das Bett teilen würde, aber nie wird … Ach, Matti.
David schläft immer noch wie ein Baby. (Und das, obwohl ich mir im Dunkeln erst den Fuß an meiner Nähmaschine angehauen habe und dann über den Fön gefallen bin.) Ob David wohl hier einziehen würde? Und ob er wohl merkt, wenn ich mich ankuschle? (Natürlich nackt und ohne Minnie-Mouse–Shirt, schließlich führen wir eine wilde … ja, was eigentlich? Affäre? Beziehung? Wenn das mit uns ‚was Längeres’ wird, sollte ich zumindest mal andeuten, dass ich Intimrasur bei Männern nicht so wirklich … Oh, jetzt regt sich was … Hallo!)
Montag, 7. Oktober
11:45. Berlin. Großraumbüro, Magazin PINK
Wie kann auf einen so schönen Sonntag (Highlight: Mauerparkflohmarkt mit David, dabei ein Kleid erstanden!) ein sooo fürchterlicher Montag folgen! Es ist Viertel vor zwölf, ich sitze hellwach auf meinem Drehstuhl in der Redaktion und versuche, den bösen Blicken auszuweichen, die David mir aus drei Metern Entfernung zuwirft. (Gäbe es doch Trennwände in unserem schönen Großraumbüro!) Was ich verbrochen habe? Das möchte ich auch gern wissen. Patrick sollte die Giftpfeile zu spüren bekommen, schließlich ist er der hinterhältige Verräter. Gibt der doch glatt Davids Kolumnenidee als seine eigene aus! Nur weil er Druck von oben kriegt und dringend seine Onlineseite aufmotzen muss. David findet, ich hätte was sagen müssen. Schließlich wäre ich Donnerstagabend in der Bar dabei gewesen, als David Patrick brühwarm von seiner Idee erzählt hat. Aber Patrick vor versammelter Mannschaft in der Redaktionssitzung bloßstellen? David hätte ja auch selbst … Aber klar, der war erst mal sprachlos. Die spitze Bemerkung von unserem Chefredakteur war aber auch total erniedrigend: »Sehr schöne Idee, Patrick. Hinter fremden Türen. Wie lebt man in der Hauptstadt? Eine Spurensuche in 32 Wohnungen. Das ist innovativ. Zeitgemäß. Abwechslungsreich. David, kommt von Ihnen ausnahmsweise auch noch was? Oder ruhen Sie sich auf Ihrer Neueinstellung noch ein wenig aus?«
Oh, Terminanfrage.
Von: Patrick
An: Mia
Betreff: Terminanfrage
Bist du schon verabredet oder wollen wir gemeinsam Mittag machen? Um 12:30? Soll ich dich »abholen«?
Soll ich da jetzt zusagen? David wird denken, ich verbrüdere mich mit dem Feind. Andererseits, das ist doch eine gute Gelegenheit, die Sache anzusprechen. Unter vier Augen ist doch viel vernünftiger. Aber abholen? Das geht auf keinen Fall! (Ist eh albern, sitzen wir doch alle – bis auf den Chef – in einem Raum!)
Von: Mia
An: Patrick
Betreff: Re:Terminanfrage
Gern. Lass uns unten am Ausgang treffen. Ich muss vorher noch Geld holen.
So. Das ist doch gut. Dann kann ich jetzt noch in Ruhe …
Von: Patrick
An: Mia
Betreff: Re:Re:Terminanfrage
Nicht nötig, ich lade dich ein. Komme dich abholen!
Jetzt streckt der auch noch den Daumen nach oben. Shit.
11:50. Frankfurt. Büro Neuberger & Neuberger
»Tut mir leid. Sie kennen unseren Tagessatz. Der ist nicht verhandelbar. Auf Wiederhören!« Klick. Gespräch beendet. Dieses Entengesicht hat sie ja wohl nicht alle! Vertut meine Zeit damit, mein Honorar
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