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Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elna Uterrmöhle
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Anblick dieser praktischen, aber eigentlich verpönten Geräte kaputt machen zu lassen.
    Schließlich hat man sein Leben als Architekt oder Buchhändlerin,   Psychotherapeut oder Chefsekretärin, Kameramann, Schreinerin oder reicher Erbe nicht aufgegeben, nur um an einem anderen Ort mit Einbauküche und Thermostat an der Heizung zu leben.   
     
    Die Radikalität reicht von „total plemplem“ bis zum diskreten Luxus.
    Zur ersten Kategorie gehört ein wohlhabender Kanadier. Einst kam er mit seiner Freundin und baute - wie alle anderen - eine Ruine zum Schmuckstück um. Alles ging gut, bis die Frau das Gefühl hatte, von der Welt vergessen zu sein und hier tot über der Trockenmauer zu hängen. Tot überm Zaun geht nicht. Wer Zäune zieht, grenzt sich von der Natur ab. Den dialektischen Unterschied zwischen Zaun und Trockenmauer zu erkennen ist nur fortgeschrittenen Aussteigern vorbehalten.
    Das Paar stritt sich. Oft und mit schlagenden Argumenten. Mal hatte der eine, mal der andere ein blaues Auge. Einmal tauchte er mitten in der Nacht, leicht torkelnd, bei Nachbarn auf und flehte sie an, ihn anzuketten. Er wolle nicht zum Mörder werden.
    Was tun?
    Anketten. In der Scheune.
    Am nächsten Morgen dankte der Kanadier seinen Rettern und entschuldigte sich zuhause. Half aber nichts. Die Freundin packte ihren Rucksack und entschwand in ein flippiges Großstadtleben.
     
    Und der Kanadier? Verkaufte das Haus und buddelte sich auf dem Gelände eines Bauern ein Erdloch, dreimal drei Meter groß, mit einem Dach aus Zweigen. Da haust er nun. Zweimal in der Woche geht er zum Haus des Bauern und duscht. Zweimal am Tag bringt die Bäuerin etwas zu essen. Und das seit 20 Jahren. Wie er seine Zeit verbringt, bleibt sein Geheimnis. Sehr selten sieht man ihn in Prata, wenn er den Bauern in dessen grüner Ape, das sind diese wunderbaren Dreirädern mit Ladefläche, begleitet. Er ist augenscheinlich zum Indianer mutiert. Einzelne Strähnen des hüftlangen grauen Haars sind ebenso wie Strähnen des langen weißen Bartes zu Zöpfchen geflochten und mit bunten Haarspangen verziert. An seinem Wanderstab, einem einfachen Ast, baumeln Adlerfedern, Zähne von Wildschweinen und bunte Stofffetzen. Der Mann in roter Schlabberhose und kragenlosem Hemd spricht nicht. Aber er fixiert jeden zufälligen Passanten mit durchdringendem Blick.
    Für die einen ist er ein weiser Eremit, für andere ein totaler Spinner.
    Alle paar Jahre kommt ein Verwandter aus Kanada und nimmt ihn, von sanfter Gewalt ist die Rede, mit zurück in die Zivilisation. Doch nach wenigen Monaten ist er immer wieder da. Er muss also einen gültigen Pass haben und sich erinnern, wie  man Geld von der Bank abhebt und ein Flugticket kauft. Genau weiß das niemand. Der Mann spricht ja nicht.
     
    Die Grenzen zwischen den Gruppen „wirklich kein Kühlschrank“ und „heimlich einen Kühlschrank“ sind fließend. Die Entscheidung führt jedoch zu Dauerkonflikten. Sei es zwischen den Partnern oder mit Freunden. Ein Paar streitet seit Jahren um Strom und Wasser. Er will Strom und kein fließendes Wasser, sie will Wasser, aber keinen Strom. Bis heute haben sie beides nicht.
    Seit nunmehr 30 Jahren fahren sie unverdrossen mit ihrem kleinen Fiat zum örtlichen Brunnen mit Wasserhahn und füllen Kanister um Kanister mit Trinkwasser. Zuhause schleppen sie dann, eher verdrossen, die schwere Last ins Haus. Und das mit 70 Jahren und einigen Zipperlein. Abends sitzen sie bei Kerzenschein am Tisch, um an trüben Tagen den wenigen Solarstrom für ein bisschen Lesen im Bett zu sparen.
    Bei den Diskussionen über „wie viel Zivilisation erlauben wir uns?“ gehören sie zur Fraktion „Alles muss so bleiben wie es ist“. 
    Auch wenn Realos, wie Katie und Rudi, den heimlichen Luxus genießen, sind sie sich in vielen Punkten mit den Fundis einig. Etwa: Gut kochen ist in Ordnung. Dabei sind gusseiserne Pfannen ebenso ein Muss wie zusammen gewürfeltes Tongeschirr und billiges Besteck. Hat man das ererbte Silberbesteck, muss es schwarz angelaufen sein. Dampfkochtöpfe gehören auf den Müll. Hausputz ist peinlich, findet eher selten und dann im Verborgenen statt. Blumentöpfe müssen aus Terracotta sein. Lieber hebt man sich einen Bruch und nimmt den Bandscheibenvorfall billigend in Kauf, als diese Dinger aus stabilem Kunststoff in Terracotta-Optik anzuschaffen. Bevor das Argument, dass beide Modelle kaum zu unterscheiden seien, vorgebracht werden kann, ist das Gespräch mit angewidertem

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