Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Gesicht schon beendet.
Wir haben solche Töpfe und ich bin sicher, dass wir, in Abwesenheit, als Zugereiste mit dem falschen Lebensgefühl verurteilt werden.
Unkraut zupfen geht auch nicht und wenn doch, fällt es unter die höchste Stufe der Geheimhaltung.
Dreck unter den Fingernägeln oder Farbreste an den Händen sind hingegen etwas Feines. Erzählen sie doch ohne Worte davon, dass Du Dir für keine Arbeit zu schade, in der Erde wühlst und keinesfalls eitel bist. Das bringt Anerkennung unter Waldmenschen.
Trifft man jedoch auf Nicht-Ausgewilderte wie Dorfbewohner oder Besucher aus Deutschland, werden Farbreste abgekratzt und Fingernägel geschrubbt. Denn deren Urteil heißt schlicht: Ungepflegt. Und in diesem Punkt sind wir Waldmenschen sehr empfindlich.
Strittig ist wiederum die Frage, ob und wie die Zufahrten zu den Häusern zu pflegen sind. Tiefe Regenfurchen und Achsen gefährdende Schlaglöcher ein wenig ausbessern ist erlaubt. Aber die oft mehr als einen Kilometer langen Wege richtig mit Schotter befahrbar machen? Sehr umstritten. Ist unsere Schotterstraße nicht ein Indiz dafür, dass wir Klein-Deutschland aus der Wildnis machen wollen? So mit gepflegtem Garten und ordentlicher Zufahrt. Wir gehören eben doch nur ein ganz kleines bisschen dazu.
Besonders lustig sind Aussteiger auf Zeit. Erst mieten sie für den Urlaub das schlichteste und einsamste Häuschen mitten im Wald. Zum Waschen am Morgen muss Wasser aus einem Brunnen gezogen werden, nur Kerzen erleuchten den einzigen Raum und das Kaminholz muss mit der Axt gespalten werden. Herrlich dieses Leben als Eremit, als Mönch, als Selbstfinder und Kaltduscher. Das einfache Leben zeigt, was wirklich wichtig ist. Angewidert denken sie an andere Urlaube auf Kreuzfahrtschiffen und Karibikinseln.
Bald ist klar, sie wollen ein eigenes Haus in der Toskana. Leider gab‘s gerade nur Angebote von renovierten Poderi mit Strom und Wasser. Macht nichts. Sie reisen mit ihrem Mercedes oder Audi Q8 an, genießen das Zirpen der Grillen, die Aussicht, spalten Holz und finden sich weiterhin selbst. Das geht so drei, vier Urlaube lang.
Dann werden die ersten Bauarbeiter organisiert. Natürlich nur für Kleinigkeiten. Eben ein Gästehäuschen mit Fußbodenheizung, ein Marmorbad, neuer Putz für die Wände, dichte Fenster vom Schreiner, eine ordentlich geplattete Terrasse.
Diese geringfügigen Schönheitsreparaturen ändern doch nichts am wilden Leben. Schließlich verzichtet man weiterhin auf Fernsehen und Laptop. Gut, bleibt das Smartphone, um Aktienkurse und Nachrichten abzufragen, aber das kleine Ding ist ja quasi ein Nichts.
Die ersten dieser Nachbarn sind in dem Spiel „Zurück ins wahre Leben“ im höchsten Level angekommen und fragen - noch mit Gewissensbissen, was denn zu tun sei, um Fernsehen und Wlan zu empfangen. Die simple Antwort „ruft die Telecom an und kauft in einem Geschäft eine Sat-Schüssel“ führt zur erstaunten Frage: „In Italien?“
Ja Leute, wir leben doch nicht in Timbuktu.
Auch wenn so mancher sich hier als verwegener Globetrotter fühlen möchte, bevor er, bis zum nächsten Mal, in sein Großstadtleben abrauscht.
Alle Waldmenschen, ob nun für immer oder auf Zeit, eint eine herzliche Abneigung gegen die sogenannte Toskana-Fraktion. Nein, zu diesem Verein der einstigen 68er Rebellen, die ihre Jeans gegen Brioni-Anzüge tauschten und statt Pflastersteinen Kelche mit teurem Rotwein in der Hand halten, will hier niemand etwas zu tun haben.
Aber die tummeln sich ja auch überwiegend im feinen Chianti rund um Siena. Wir sind also ziemlich sicher vor ihnen. Nur ab und zu stapft mal Otto Schily bei uns über den Strand oder Jürgen Trittin schwimmt durch einen unserer Seen.
XIII
Ich bin jetzt Quelle-Tante . Längst hat es sich im Wald bei den Dauerbewohnern rumgesprochen, dass wir online sind. Klar, diese Hightech-Ausrüstung ist als kapitalistisches Teufelszeug zu verdammen. Andererseits wissen auch Alt-68er, dass manches im Internet zu haben ist, was es hier nicht zu kaufen gibt. Oder der günstigere Preis es wert ist, Überzeugungen über Bord zu werfen. Einige haben sich inzwischen gar selbst einen Laptop angeschafft, andere schimpfen weiterhin über diesen „Globalisierungs-Wahnsinn“. Haben aber kein Problem damit, uns zu bitten das eine oder andere für sie online zu kaufen. So bin ich nun so eine Art Sammelbestellerin wie zu guten
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