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Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elna Uterrmöhle
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irgendwo in der Umgebung eine für ihn wertlose Ruine. Eltern oder Groß- und Urgroßeltern, die dort einst lebten, fanden das Leben ohne Wasser und Strom, kargem Boden, ein paar Ziegen und Hühnern wenig romantisch. Sie kämpften schlicht ums Überleben. Oft mit acht bis zehn Kindern lebten sie in winzigen Häusern. Unten eine Küche mit lehmgestampftem Boden und  Kamin. Oben ein Schlafraum für die ganze Familie. Gekocht wurde auf einem Holzofen, Wasser wurde mit dem Muli von einer Quelle geholt.
    Als Ende des 19. Jahrhunderts in den Nachbardörfern Niccioleta und Boccheggiano Pyrit entdeckt wurde, arbeiteten die Männer in den Bergwerken. Erstmals blieb Geld am Monatsende übrig und die Familien sparten Lira für Lira für ihren Traum, ins Dorf umzuziehen. Endlich keine langen Fußmärsche mehr, keine Entbehrungen, keine Einsamkeit mehr. Dafür Strom und Wasser. Zurück blieben die ungeliebten Hütten, die im Laufe der Jahrzehnte zerfielen.
    Bis langhaarige junge Menschen, vor allem aus Deutschland, in ihren bunt bemalten VW-Bussen und 2 CV-Enten auftauchten und glaubten ihr Paradies eines freien und vor allem ursprünglichem Lebens gefunden zu haben.  Sie kauften die alten Häuser mit jeweils vielen Hektar Land für 30, 40 oder 50 tausend Mark. Kleines Geld für sie, großes für die Toscani.
    Was waren das nur für verrückte Hippies, die da verzückt in ihre Ruinen zogen?
     
    Einer von ihnen war der junge Österreicher. Er glaubte, besonders viel Glück zu haben und besonders clever zu sein. Er zahlte dem Mann in der Bar, nachdem er das Grundstück besichtigt hatte, 10 000 Mark bar auf die Hand und fing an zu arbeiten. Alte Mauern einreißen, Natursteine abklopfen, um sie später wieder vor die Fassade zu setzen, Rohbau hochziehen. Ende.
    Der Bäcker, allarmiert von Jägern, tauchte auf und war fassungslos. „Was machen sie da mit meinem Haus?“
    Gute Frage. Der Österreicher war guter Dinge und zeigte einen handgeschriebenen Zettel mit der unleserlichen Unterschrift seines Bar-Freundes. Sein Vertrag als Eigentümer. Er hatte wirklich geglaubt, Italien lebe im Mittelalter.
    Grundbucheintragung? Vertragsunterzeichnung beim Notar? Baugenehmigung? Das gibt’s doch nur in Österreich.
    Der Freund aus der Bar war unauffindbar, die Polizei alarmiert und das Gefängnis nah. Der Aussteiger konnte nur in seinen VW-Bus einsteigen und über Nacht verschwinden.
    Der Rohbau schläft weiter und wir fanden, mit Hilfe eines ortskundigen Dorfbewohners, unser Grundstück über einen Kilometer weiter, links vom Weg. Steil, unnütz und ohne Ruine. 
     
     
                                          XI
     
    Wir sind eingeladen . Katie und Rudi gehören zu denen, die einst mit Ente und Schlauchboot ankamen. Ihr Ziel: So naturbelassen wie die Vorbesitzer ihrer Ruine im Wald zu leben. Ohne Chefs, ohne feste Arbeit, ohne geregelten Alltag. Das Vorleben als erfolgreiche Betreiber einer Anzeigenagentur wurde archiviert, das Ersparte eingefroren und quasi aus dem Gedächtnis verbannt.
    Wir hocken in der Küche am heimeligen Kaminfeuer. Der Tisch ist liebevoll gedeckt mit geblümter Wachstuchdecke, angeschlagenen Tontellern, Blumen aus dem Garten und kleinen Pralinen zum Naschen zwischendurch. Auf den Randregalen geschätzte 100 Gläser mit Gewürzen und  Körnern. An einer langen Eisenstange unter der Decke hängen auf dicken Fleischerhaken gesammelte Schirmmützen.
    Während Katie am holzbefeuerten Herd hantiert, erzählt Rudi wie sie sich einst über Nacht neu erfunden haben. Anzüge und Kostüme kamen in die Altkleider-Sammlung,  Schlabberklamotten wurden auf Märkten zusammen gesucht.
    „In den ersten Wintern hier zogen wir drei selbst gestrickte Pullover übereinander und bibberten vor dem offenen Kamin“, erinnert sich der ehemals Langhaarige heute Halbglatzige mit verschmitztem Lächeln, „der Kamin brachte zuverlässig den Schnee auf dem Schornstein zum Schmelzen. Unsere Wohnküche aber heizte er nur auf lauwarme zwölf Grad.“
     
    Das Paar wusste, was sich für echte 68er, die in die kommunistische Toskana auswandern, gehörte: Komfort ist absolut verboten und das Geld muss hart verdient werden. Nix dolce vita. „Wir haben Bäume gefällt und das Holz verkauft. Und natürlich hatten wir Enten und Hühner, Kaninchen, zwei Kühe, einen Esel, ein Pferd und jedes Jahr ein Schwein zum Schlachten.“
    Katie, damals rotlockig, heute mit grauem Kurzhaar, hat aus der Milch Käse gemacht und

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