Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elna Uterrmöhle
Vom Netzwerk:
wildes Fuchteln mit den Händen – nichts half. Die Sau blieb sitzen. Natürlich traute sich niemand an das Vieh ran. Es war eine verflixt große Sau. Der Frau blieb nichts anderes übrig, als telefonisch ihre Verspätung anzukündigen und Kaffee, auf Kosten des Wirtes, zu trinken, bis das Schwein, enttäuscht grummelnd, wieder ausstieg.
    Während diese Frau die Verwüstung ihres Autos relativ gelassen nahm, schrie plötzlich eine andere hysterisch los. Sie hatte ihrem quengeligem Kind ein Eis gekauft. Der Junge wollte aber nicht das Eis, sondern nur die Waffel. Ganz liebe Mama, nahm sie das Eis runter und warf es einem Wildschwein zu. Lecker, fand das Schwein, fehlt nur die Waffel. Also ging es auf das Kind zu und nahm ihm sehr vorsichtig die Waffel aus der Hand. Kind brüllte, Mutter, wie schon erwähnt, schrie. Sie wollte sofort die Polizei rufen. Es sei unverantwortlich, dass hier Wildschweine angelockt würden, frei umherliefen und auch noch gefüttert würden. Pech für sie, dass ich direkt daneben stand. Ich bot mich sofort als Zeugin und Anwältin der Wildsau – oder des Wirtes? - an. Erfolgreich. Mutter und Kind stiegen schimpfend ins Auto und verschwanden.
     
    Auch wenn wir zu Marco wollen, müssen wir den Wald kaum verlassen. Einige Kilometer Richtung Siena durch ein enges bewaldetes Tal, dann rechts ab auf eine sieben Kilometer lange Schotterpiste Richtung „Luriano“. Vorbei an einem Fluss, in dem man wunderbar baden kann und einem verlassenen Alabaster-Steinbruch, in dem es nach wie vor schneeweiße Steine gibt, durch einen Kastanienwald und durch wilde Macchia, einem Buschdickicht mit Kreuzdorn, Erdbeerbaum, Steineiche und Ginster. Am Ende überqueren wir eine Asphaltstraße und erreichen Scalvaia, einen winzigen Borgo. Dort im „La Capanna“, der Hütte, sind wir zuerst auf das Outfit der spindeldürren Wirtin gespannt. Sind die roten Strümpfe lila getupft, der Minirock giftgrün und der orangefarbene Pullover tief ausgeschnitten oder hat sie ihren dezenten Tag? Es könnten auch ausgefranste Hotpants im Leopardenlook auf gewollt zerfetzten Strumpfhosen sein.
    Sieht man ihren Mann, möchte man gleich rufen: „Ich bin ganz lieb!“ Dabei ist Marco - groß, sehr kräftig und glatzköpfig - eher der Typ Knuddelbär. Es sei denn, ein Gast wagt es, die am offenen Kaminfeuer grillenden Bistecche fiorentine, diese kiloschweren Koteletts, selbst zu drehen. Dann schnellt Marcos behaarte Pranke nach vorne und entreisst dem Frevler das Grillgitter. Böse „wer ist hier der Koch?“ brummend.       
    Er hat recht. Seine ein bis zwei Kilo schweren Steaks werden im Kamin butterweich und könnten mit dem Löffel gegessen werden. Na ja, fast.
    Im „Capanna“ treffen sich Jäger und Pilzsammler, Quad- und Motorradfahrer, Waldmenschen und Freaks, Hunde und Katzen - alle auf der Jagd nach Leckerbissen. Super lecker sind zum Beispiel Marcos Spiegeleier mit ausgelassenem Colonnata-Speck und großzügig gehobelten Trüffeln.
     
     
     
     
                                                            XXXIII
     
    Auch Künstler verstecken sich im Wald . Gestern waren wir bei unserem Quasi-Nachbarn Paul Fuchs. Hier ist einfach jeder im Umkreis von zehn Kilometern Nachbar. So rückt man in der Weite des Waldes zusammen.
    Wir fahren im Wald mit dem Auto los und parken - natürlich im Wald. Beim Aussteigen hören wir einen weichen, geheimnisvollen Ton, der in der Luft vibriert. Nach ein paar Schritten öffnet sich der Wald und macht Platz für eine große Lichtung, auf der seltsame Konstrukte stehen. Sie heißen „Metamorphose“ oder „Crescendo“. Den zarten Ton erzeugt „Der große Zeiger“: drei am unteren Ende gebogene Röhren aus Eisen,  die hoch in den Himmel ragen, die längste ist 31 Meter hoch. Andere Metallwesen - fünfzig, hundert Meter weiter - winden sich in eleganten Spiralen in die Höhe, filigran, wie Luftschlangen.
    Paul Fuchs, klein, grauhaarig, quirlig und, seit er bei einem Unfall unter seinen Traktor geriet, leicht hinkend, führt Besucher selbst durch seinen weitläufigen Kunstpark und erklärt seine künstlerischen Intentionen: „Ich möchte das schwere Eisen ganz leicht machen.“ Der 75jährige lässt die Klangkörper, wie er seine meterhohen Stahl- und Eisenschöpfungen nennt, durch ein Klopfen hier, ein Schütteln dort, musizieren - wenn es nicht der Wind für ihn macht, der über Öffnungen streift oder Metallgelenke

Weitere Kostenlose Bücher