Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
und schlechtem Wetter schützen soll. Und dessen Festtag ist eigentlich der achte August. Aber in Italien gehen Uhren - und auch mal Kalender - eben etwas langsamer. Also feiern die Winzer eben am zehnten.
Pünktlich ab 20.30 Uhr können wir für zehn Euro einen langstieligen Kelch als Eintrittskarte in die Welt des Monteregio DOC kaufen. Das Glas berechtigt zum unbegrenzten Kosten von Weiß- und Rotwein bei 20 Winzern aus der Gegend. Mit der Weißweinprobe sollte keiner zu lange warten - Abend warm, Wein warm.
Eifrig erklären die Winzer immer wieder die strengen DOC -Regeln. Der Monteregio DOC-Rotwein muss zu 80 Prozent aus der Sangiovese-Traube bestehen. Der Weiße besteht aus 50 Prozent Trebbiano, der Rest darf Vermentino und Malvasia Bianca di Candia sein. Pro Rebstock, nun wiegen alle bekümmert den Kopf, dürfen nur 3,3 Kilo Trauben geerntet werden.
Rolf ist das alles schnuppe. Er hat keine Zeit. Weder für lange Vorträge noch für die Livemusik auf den Plätzen. Irgendwie hat er da etwas falsch verstanden. Er kann 50 Weine probieren, er muss nicht. Muss er doch. War nicht ganz einfach, ihn nach hause zu bringen. Plötzlich wollte er unbedingt tanzen. Tanzend erreichten wir dann irgendwann das Auto.
Immerhin erinnerte er sich am nächsten Mittag an den leckeren Wein von Rocca di Frassinello. Und am übernächsten Tag hatte er sogar Lust, auf dem Weingut noch mal zu testen, ob der Wein wirklich so gut war.
Aus der Ferne sieht das Gebäude eher hässlich aus. Stararchitekt Renzo Piano hat sich dabei etwas von einem modernen Kastell in mitten von Weinbergen gedacht, hat er erzählt. In Werbebroschüren wird da noch eins draufgesetzt. Da hat Signor Piano dem Wein ein Denkmal gesetzt und der Turm „nimmt die Farbe der Erde auf und fängt den Himmel ein“. Meint der Texter das ernst oder war er wie Rolf beduselt? Für mich sieht es aus der Ferne eher aus wie ein Industriebetrieb für Futtermittel.
Doch, je näher wir dem Gebäude kommen, desto hübscher wird es. Muss ich zugeben. Es reicht eine kurze Führung und ich bin geradezu begeistert. Zur Ästhetik kommt Funktionalität: Hier wird der Wein vertikal, vom Dach aus über zwei Etagen bis zum Keller, verarbeitet. Ohne Pumpen, ohne Umfüllen, von der Traube ins Fass.
Hatte ich mich gerade an das strenge Design aus Glas und Stahl, Erdfarbe und Giftgrün gewöhnt, öffnet sich der Weinkeller als imposantes Amphitheater in schummrigem Graphit. Wir stehen ganz oben und schauen auf eine tief liegende, leere Bühne, erstrahlt von der Sonne, die nur durch eine enge Luke im Dach scheint. Auf den steilen Rängen „sitzen“ rundum, als Publikum, große Eichenfässer.
Einmal im Jahr, im Juli, wird ihnen ein Klassikkonzert geboten. Menschliche Gäste müssen sich mit unbequemen Plastikstühlen auf dem obersten Rang begnügen.
Dafür erleben sie eine märchenhafte Atmosphäre.
Märchenhaft ist auch die Geschichte des Weingutes. Da trifft Paolo Panerai, einer der besten Chianti-Classico-Produzenten, den französischen Star-Winzer Baron Eric de Rothschild. Die beiden werden Freunde und verkaufen gemeinsam in Italien Weintechnologie. Eines Abends sitzen sie in San Vicenzo im Drei-Sterne-Lokal „Gambero Rosso“ beisammen und beklagen ihr Schicksal.
Denke ich mir zumindest so.
Ihr Wein verkauft sich dank ihrer berühmten Namen von allein, sie sind reich und ohne wirkliche Aufgabe.
Jetzt kommen wir wieder zum belegten Teil der Geschichte. Sie beschliessen, noch einmal etwas ganz Neues anzufangen. Ein gemeinsames Weingut. Aber wo? Im Chianti gibt es nichts zu kaufen. Und wenn, ist es selbst für diese vermögenden Männer zu teuer. Da kostet schon der kleinste Weinberg 1,5 Millionen Euro. Und sie wollen viel Wein machen.
Bald denken sie an die Heimat von Rothschilds Ehefrau Beatrice, die toskanische Küste. Doch im Norden, in Bolgheri, sind schon ihre härtesten Konkurrenten Antinori und Sassicaia mit ihren teuersten Weinen zuhause. Der Süden ist vom weltweit gefragten Morellino di Scansano besetzt. Panarai und Rothschild wollen doch aber etwas Neues, (fast) Eigenes machen. Bleibt unsere Maremma, ein international noch unbekanntes Weinland. Bei Gavorrano, in der Nähe des Fischerortes Castiglione della Pescaia finden sie das ideale Gelände: sanfte Hügel, nie Frost und leicht salzige Meeresbrise. Dazu verkaufswillige Bauern, die nicht wussten, wie wertvoll ihr Land ist. Und, netter Zufall, zum Freundeskreis gehört Renzo
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