Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
Wiesen, über leichte Hügel, steile Treppen, durch kleine Waldflecken - und immer wieder stoßen wir auf Skulpturen von Spoerri und etwa 50 anderen, mehr oder minder bekannten Künstlern: verspielte Objekte, wie Spoerris turmhoher Brunnen aus Fleischwölfen, rätselhafte Köpfe von Eva Aeppli und witzige Apparaturen wie Jean Tinguelys „Große Lampe für D.S.“.
Gruselig ist der „Tag des Zorns“. Panisch fliehen 160 Gänse vor drei unheimlichen riesigen Trommlern in langen, weiten Mänteln einen Hügel hinab, auf das Dorf Seggiano zu, das man in der Ferne sieht. Ein Kind mit einer Gans im Arm versucht, sich und das Tier hinter einem Busch zu verstecken. Ihre Chancen sind nicht gut.
Gänse, Trommler, Kind - alle sind aus Stahlbeton. Das Werk von Olivier Estoppey irritiert in der idyllischen Toskana-Landschaft.
Ein paar hundert Meter entfernt, in einem kleinen lichten Wäldchen steht mein Lieblingsobjekt, ein Nachbau des „Chambre No. 13 de l‘Hotel Carcassone“. Das Original befand sich einst in der Pariser Rue Mouffetard, es war für eine Weile Spoerris Bleibe. Der Aschenbecher ist voll, die Thunfischdose leer, Kleidung liegt unordentlich herum, das Bett ist nicht gemacht: Boheme aus Bronze. Daniel Spoerri hat die Erinnerung an seine Zeit im Zimmer Nummer 13 in Metall gegossen. Wände, Boden, Kleiderhaken, alles, selbst den Müll.
Den „Nouveau Realisme“ hat er damals in Paris mit gegründet. Dann ging der in Rumänien geborene Schweizer nach Düsseldorf, eröffnete ein Restaurant und erfand gemeinsam mit anderen Künstlern die Eat-Art. Joseph Beuys hat dort gerne Spaghetti gekocht, heißt es.
Eine ziemlich detaillierte Chianti-Karte braucht der Fremde, wenn er Pievasciata, nicht weit von Siena entfernt, finden will. Besser ist noch ein gutes Navi. Zur Sicherheit hat Piero Giadrossi auf den Flyer für Besucher gleich die GPS-Koordinaten eintragen lassen, auf denen sein „Parco di Sculture del Chianti“ liegt. Nur, wer hat schon vorab einen Flyer? Doch Längen- und Breitengrad findet man auch unter www.chiantisculturepark.it
Früher wurden in dem lichten Eichenwald Wildschweine gezüchtet. Dann kamen im Jahr 2004 Piero und seine Frau Rosalba. Schweine raus, Kunst rein.
Ihre Idee: Integration von Kunst und Natur. Künstler von allen Kontinenten wurden eingeladen, sich ihren Platz im Wald zu suchen und speziell für dieses Fleckchen Natur eine Skulptur zu schaffen, die sich dort mit der Umwelt zu einem neuen Gesamtkunstwerk fügt. Nun steht hier ein „zerbrochener Regenbogen“, dort ein Irrgarten aus Glasbausteinen, massige Monumente aus Stahl oder zerbrechliche Säulen. Manches hängt im Baum, anderes ist nur eine Kreation aus Geräuschen.
Die Künstler kommen aus Argentinien und Zimbabwe, aus Griechenland, der Türkei, den USA, zwei Deutsche sind dabei und natürlich Italiener. Schließlich ist man im Herzen des Chianti. Castellina, Greve und Radda sind nicht weit. Und die Luft duftet nach Toskana. Einen Kilometer lang ist der Rund-Parcours, von der perfekt nachgebildeten kleinen Warteschlange vor dem Kartenhäuschen und zurück.
Wer dann noch Fragen hat, kann sie dem Gründer und Direktor des Parks gleich selber stellen. Piero sitzt häufig an der Kasse und spricht deutsch.
Dazu muss er viele alte Bücher gelesen haben. In geschnörkeltem Fontane-Deutsch bittet er uns zu einem Konzert im Amphitheater, mit einer Bühnenkulisse aus weißem Carrara-Marmor und schwarzem afrikanischen Granit. Auch wenn gerade kein Konzert ist, sitzen, als Scherenschnitte aus Stahl, berühmte Figuren wie Charlie Chaplin im Parkett, während Alfred Hitchcock am Bühnenrand dazu einlädt, sich neben ihn zu setzen.
XXXIV
Sternschnuppen und Sternhage l gibt es am 10. August . Wer an diesem Tag gerade bei uns ist, muss abends mit zum „Calici di stelle“, den „Kelchen der Sterne“. In diesem Jahr trifft es Rolf aus Berlin.
In der romantischen San Lorenzo-Nacht fallen ja die meisten Sternschnuppen, heisst es, und erfüllen tausende von Wünschen. In Massa Marittima wird das mit den Sternen ein wenig anders verstanden. Spätestens nach Mitternacht sind die meisten Sternhagel voll.
San Lorenzo ist als Schutzpatron nicht nur gegen Hexenschuss sondern auch für Bierbrauer zuständig. Deshalb gibt es an diesem Abend wohl auch einen Bierstand. Winzer hingegen vertrauen mehr auf Cyriacus, der ihre Weinberge vor Frost
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