Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana
verraten.
Bei uns in Prata gibt es gleich zwei Geheimtipps, da Touristen achtlos an dem Dorf vorbeifahren. Im „Il Pianello“, am ersten Plätzchen neben der Apotheke und dem Bäcker, ist der Napolitaner Salvatore seiner Herkunft verpflichtet und backt wunderbare Pizze.
Im alten Borgo, gegenüber dem ehemaligen Waschplatz, kocht Gabriele im „Le vecchie fonti“. Ein ambitionierter Koch, der sich auf Fisch und anderes Meeresgetier spezialisiert hat. Statt einer Kochmütze trägt er ein rot-weiß getupftes Piratentuch und schafft es, in einer kleinen Küche große Familienfeiern zu bekochen. Der Laden macht jedem italienischen Klischee Ehre: vorne in der Bar die Dorfjugend und ein laut plärrender Fernseher, hinter Stellwänden ein großer, hallender Saal in Neonlicht. Aber Gabriele kocht wirklich gut.
Auch in Roccatederighi gibt‘s zwei Adressen. Bei „Nada“ locken hauchdünne Tortellini, prall gefüllt mit Ricotta und Spinat, mit zerlassener Butter und Salbei.
Gleich nebenan bei „Da Giannino“ experimentiert die fröhliche Köchin, der ihre eigenen Kreationen sichtbar gut schmecken, mit Kräutern und Gewürzen. Auch die traditionelle toskanische Küche schmeckt bei ihr ein wenig anders. Da werden Tortelli, das gab‘s noch nie, mit Kürbis gefüllt oder in die Wildschweinsauce je eine Prise Zimt und Paprika geschummelt. Die Karte variiert nach dem Tagesangebot. Bringt ein Freund Schnecken vorbei, gibt‘s Schnecken in Kräutern gegart, schlachtet jemand ein Zicklein, legt sie es in Rotwein ein.
Im Winter wagen sich die Waldmenschen auch an die, dann einsamen, Strände nördlich von Follonica. Nichts ist schöner, als auf der Terrasse von „Pino“, direkt vor den Wellen zu sitzen, auf das in der Sonne glitzernde Meer vor Elba zu schauen und „Spaghetti Vongole“ zu essen.
Bei schlechterem Wetter ist „Maurizio“ an der von Pinien gesäumten Strandstraße in Follonica angesagt. Touristen verirren sich auch im Sommer nur selten in das Restaurant, das von außen wenig einladend aussieht. Sie sind auch nur bedingt willkommen, da sie in größerer Zahl Maurizio ruinieren würden.
Schuld sind seine Vorspeisen. Acht Schüsseln kommen auf den Tisch. Oktopussalat und marinierte Fischfilets, Meeresschnecken in Tomatensauce und kleine Tintenfischen im Weißwein-Sud und dergleichen mehr. „Und was machen diese Deutschen, Schweizer und Österreicher?“ fragt Maurizio. Schulterzucken.
„Sie essen alle Schüsseln leer“, empört er sich, „dann erklären sie, sie seien nun satt. Keine Nudeln, kein Fisch, kein Dessert. Aber sie bleiben noch zwei Stunden sitzen, blockieren den Tisch und nippen nur ab und zu an Wein und Wasser. Am Ende zahlen sie dann zu zweit 20 Euro.“
Und als seien wir für alle Touris verantwortlich, fragt er traurig: „Warum macht ihr das?“
Machen wir gar nicht. Zu Maurizio gehen wir nur mit einem Bärenhunger, nehmen aus jeder Vorspeisenschale nur ein Löffelchen voll und lassen genügend drin für die nächsten Gäste. Dann bestellen wir Pasta und Fisch, seine köstliche Tiramisu oder gleich drei dicke Schoko-Profiteroles.
Auf dem Heimweg fühlen wir uns genudelt, aber irgendwie auch als stolze Botschafter der „guten Ausländer“.
Nicht weit von uns gibt es die Osteria „La Foresta“ mitten im Wald. Der Wirt ist der Schutzheilige der Wildschweine. Auf der Karte findet der Gast Fasan und Reh, aber niemals Wildschwein. Das scheinen die Tiere zu wissen. Pünktlich zur Mittagszeit und zur Dämmerung schlendern ganze Familien aus den umliegenden Wäldern herbei, um sich füttern zu lassen. Wer zu spät dran ist, kommt im flinken Trab. Der Wirt, der eben noch sein Schinkenbrot mit einem zahmen Fuchs teilte, der ihm wie ein Hündchen folgt, verteilt nun Brot und Früchte. Da auch viele Gäste Leckerbissen für die Wildschweine mitbringen, sind sie sehr zutraulich, was immer wieder zu kuriosen Szenen führt.
Eine Frau, ein Beispiel dafür, fütterte erst ein Wildschwein und begann dann ihr Mountainbike in einem relativ kleinen Kombi zu verstauen. Alle vier Türen plus Heckklappe waren offen, da sie an ihrem Rad von allen Seiten zerren musste. Die Wildsau schaute sich das geduldig an, überzeugt, dass ein Brot nicht alles gewesen sein kann. Als die Frau auch nach einigen Minuten keinen Nachschlag servierte, kletterte das Tier auf den Beifahrersitz, um unter dem Motto „Selbst ist die Sau“ nach Essbarem zu suchen. Schreien, fluchen,
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