Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana

Titel: Landlust für Anfänger: Erlebnisse einer Ausgewilderten in der Toskana Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elna Uterrmöhle
Vom Netzwerk:
und in einem der Hafenrestaurants Fisch zu essen. Doch beim Anblick dieses weißen Kolosses in Schieflage direkt an der Hafeneinfahrt, verfliegt jede Urlaubslaune. Geschieht so eine Tragödie weit draußen im Meer, ist es ein tragischer Unfall. Aber kaum 20 Meter vom Festland entfernt? Mit 32 Toten? Da kommt nur Wut auf. Vor allem auf den Kapitän, der so nah an der Küste gefahren ist, nur um den auf der Insel lebenden Verwandten des Oberkellners zu imponieren. Und dann verlässt der Kerl auch noch als einer der ersten das sinkende Schiff.
    Beeindruckend fand ich die Hilfsbereitschaft der Insulaner. Insbesondere der Pfarrer scheint ein toller Typ zu sein, der ohne Zögern Messgewänder und Altardecken an die frierenden Schiffbrüchigen verteilt hat.
    Das nun leicht angerostete Wrack liegt wie ein Mahnmal da, das an eitles menschliches Versagen und die Sinnlosigkeit der Katastrophe erinnert.
    Noch verstörender sind die Sonnenanbeter, die ihre Liegestühle auf dem Felsplateau direkt vor der Costa Concordia aufgestellt haben, mit großem Appetit picknicken, Ball spielen und viel Spaß haben.
    Ja, ich weiß, das Leben geht weiter. Der Tourismus geht weiter. Aber könnte man nicht warten, bis das Wrack abgeschleppt wurde? 
     
     
                                     XXXI
     
    Ein einladendes Dorf . Unser Prata könnte viel vom Nachbardorf  Tatti - es ist nur zwölf Kilometer und tausend Kurven entfernt - lernen. Auch Tatti war grau, ungastlich, eingeschlafen und nicht einmal einen Stopp in der Bar wert. Doch vor ein paar Jahren entdeckten die 230 Einwohner, dass sie eine Gemeinschaft sind und man gemeinsam viel schaffen kann.
    Die trostlosen, schwarz-grauen Natursteinhäuser wurden gesandstrahlt, die Gassen mit alten Steinen gepflastert und das Leben neu erfunden. 
     
    Beliebt ist das Herbstfest Anfang November, bei dem viele Anwohner in der Abenddämmerung ihre ebenerdigen Keller öffnen, um Honig und Marmeladen, Stickereien, Gehäkeltes und Gestricktes zu verkaufen. Der Metzger verköstigt stolz Rotwurst und Presssack mit einem Gläschen Wein. Hinter einer Tür verbirgt sich ein privates Museum alter Landwirtschaftsgeräte und in einer kaum weniger alt aussehenden Mühle wird das erste frische Olivenöl probiert. Straßenmusiker singen und spielen toskanische Volkslieder, während die besten Köchinnen Polenta, Kutteln und Wildschwein-Ragout in einem improvisierten Lokal servieren.
     
    Auch im Sommer ist Tatti voller Musik. Auf der gemütlichen  Piazza vor der Kirche wechseln sich fast allabendlich Barock- und Klassikensembles mit Jazz,  Klezmer-Klängen oder einem Teufelsgeiger ab. Als eine deutsche Künstlerin, zu Gast bei ihren Aussteiger-Eltern, Weil- und Brecht-Lieder sang, holten anschließend einige Zuschauer ihre Instrumente und machten mit einem richtig guten Elvis-Imitator Musik bis zum frühen Morgen.
     
    Heute sind lange Tische aufgestellt und festlich eingedeckt. Wein und Wasser stehen schon überall bereit. Gastgeber sind Freaks, Aussteiger, Zugereiste und Ausgewilderte. Sie haben eingeladen zu einem „Abendessen unter den Sternen“ und über 100 Leute sind gekommen. Besteck gibt es gegen den Menüpreis von 25 Euro an der Kasse auf den Kirchenstufen.
    Viele aus der Gastgeber-Clique haben zuvor zuhause geschnipselt, gekocht, gerührt und gebraten. Jetzt sind in einem langen, tiefen Torbogen drei Gasherde und vier Spültröge aufgestellt. Auf zwei langen Tischen werden die Teller angerichtet. Töchter und Söhne, die in Florenz oder Siena studieren, übernehmen an diesem Abend den Service für ein überwiegend vegetarisches Menü, wobei mit einem Fleischgericht an die italienischen Gäste - und an uns - gedacht wurde.
     
     
     
                                       XXXII
     
    Wo Ausgewilderte essen gehen . Wie schon gesagt, scheuen Freaks die Begegnung mit Touris. Ist ja auch klar. Die Fremden bedrohen das Lebensgefühl, etwas ganz Besonderes im fremden Land zu sein. Wer zu Fuss mit Kamelen durch die marokkanische Wüste läuft, will auch nicht ständig von  Jeeps und Motorrädern überholt werden. Da kommt sich der Abenteurer plötzlich einfach nur albern vor.
    Aussteiger verzichten deshalb auf vieles, nur nichts aufs Essengehen. Bedingung: Das Lokal muss eine ausgefallene Küche haben, frei von Touristen und günstig sein. Das ist wiederum in der Toskana nicht so einfach. So werden die wenigen Adressen nur an beste Freunde

Weitere Kostenlose Bücher