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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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zu bekommen, war außerordentlich schwierig. Mir fehlten die Erfahrungen, und ein Landwirt, mit dem ich schon fast einig war und der meine Unkenntnis bemerkte, weigerte sich, mir ein paar seiner Völker zu verkaufen. Im Mai besaß ich schließlich fünfzehn Völker und ließ den Wagen in der Nähe von Eythra aufstellen, einem Dorf südlich von Leipzig und von meiner Wohnung aus in einer halben Stunde zu erreichen. Ich hatte mit einigen der Genossenschaften telefoniert, und Eythra war an meinen Bienen interessiert und bereit, mir alle Auslagen zu erstatten und den Wagen abzuholen, aufzustellen undnach ein paar Wochen umzusetzen. Als ich in dem Genossenschaftsbüro erschien, wurden die beiden Männer vom Vorstand misstrauisch, weil ich so jung war, und ich erzählte ihnen etwas von einer langen Tradition von Bienenzüchtern in meiner Familie, um sie zu beruhigen. Nachdem der Wagen erst einmal neben einem riesigen Rapsfeld stand, hatte ich tatsächlich wenig zu tun und hätte jeden Monat zwanzig Fahrten nach Berlin machen können, aber Bernhard wollte selber Geld verdienen.
    Die Beamten an den Kontrollposten kannten mich und meinen Wagen nach einiger Zeit, und ich wusste genau, wie es ablaufen würde, wenn ich sah, welcher Uniformierte auf uns zu kam. Mit einem der Beamten wechselte ich jedes Mal ein paar Worte über meinen Adler, er selbst besaß ein altes BMW -Motorrad, das zwanzig Jahre alt war, und wir fachsimpelten miteinander. Ich hielt es für eine gute Idee von mir, ich dachte, mit dem Wohlwollen eines Beamten würde ich mir scharfe Kontrollen ersparen. Nach einigen Wochen musste ich einen Umweg fahren, um über eine andere Straße und einen anderen Kontrollpunkt Berlin zu erreichen. Der Beamte war so heftig an meinem Wagen interessiert, dass ich ihn schließlich nur mit Mühe und dem Versprechen, ihm beim nächsten Mal alles zu zeigen, davon abhalten konnte, in das Auto zu steigen. Er kannte sich ein wenig mit den alten Modellen aus und hätte leicht den doppelten Boden entdecken können. Zumindest hätte er, wenn er in den Fond meines Wagens gestiegen wäre, den Umbau bemerkt, der sicher sein Misstrauen geweckt hätte. Nach diesem Erlebnis vermied ich es, den Beamten gegenüber allzu auskunftsfreudig zu sein, wenn ihnen mein Adler ins Auge stach und sie sich mit mir darüber unterhalten wollten.
    Ich sah Bernhard regelmäßig, da ich mich vor jeder Fahrt mit ihm zu treffen hatte, denn er wollte keinerlei Informationen über Briefe oder Telefon geben. Gelegentlich kam ernach Leipzig, wenn er unterwegs war oder in der Stadt zu tun hatte, meistens musste ich zu ihm fahren. Wir trafen uns dann in seinem Haus in Guldenberg. Er besaß ein Einfamilienhaus mit großem Garten in der Moorbadstraße und wohnte dort mit einem Mädchen aus Spora zusammen, einem grauen Mäuschen, das durch die Zimmer huschte und ihren Bernhard bewunderte. Wenn er von ihr sprach, sagte er nur, sie halte seinen Garten in Ordnung und lebe auf seine Kosten, und wenn sie zu uns ins Zimmer kam und fragte, ob wir etwas zu trinken haben wollten, schickte er sie grob hinaus. Sie wisse nichts von dem, womit er sein Geld verdiene, für sie sei er der Betreiber eines Karussells mit zwei Angestellten, die damit über die Märkte ziehen und von ihm kontrolliert werden müssen, hatte Bernhard gesagt und hinzugefügt, ich solle gefälligst den Mund halten, selbst im Bett, vor allem im Bett, denn man weiß nie, wie dumm es kommen könne, und erfahrungsgemäß käme es immer am dümmsten.
    Als wir einmal das Geschäftliche geklärt hatten und in den Goldenen Löwen gegangen waren, um ein Bier zu trinken, fragte ich ihn, wie es eigentlich kam, dass er diese Fahrten nach Berlin mache.
    »Reiner Zufall«, sagte er, »ich war einen Sommer auf Rügen, lernte ein paar Leute kennen, man kam ins Gespräch, wir überlegten, wie man zu Geld kommt, und irgendeiner kam dann auf die grandiose Idee. Mehr musst du nicht wissen, ist für alle besser. Und eigentlich weiß ich überhaupt nichts von den anderen. Ich kenne keinen einzigen Namen, und meinen Namen kennt außer dir auch keiner.«
    »Ich meine, wie kam es, dass ausgerechnet du das machst? Daran hätte ich nicht im Traum gedacht. Das Letzte, was ich von dir hörte, das war die Geschichte mit den Bauern.«
    »Die Kollektivierung meinst du? War eine tolle Geschichte damals.« Bernhard lachte laut auf.
    »Sogar bei Griesel warst du dabei. Das hörte ich jedenfalls.«
    »Sicher. Griesel habe ich mir nicht entgehen

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