Landnahme
sei es insofern einfacher, da es um Berlin herum so gut wie keine Kontrollen mehr gäbe, insgesamt sei es gefährlicher geworden, denn die Schleuser hätten künftig keinerlei Chance sich herauszureden, wenn sie gegriffen würden, deswegen sei der Preis für die gesamte Schleusung gestiegen, vermutlich mehrere tausend Mark für jede Person, er wisse es nicht, wolle es auch nicht wissen, wichtig für uns sei, es gäbe pro Fahrgast, gleichgültig ob Erwachsener oder Kind, einen Tausender.
»Bist du dabei?«, fragte Bernhard.
Ich nickte. Ich war heilfroh, dass es endlich weiterging und ich Geld verdiente. An die Gefahr hatte ich mich gewöhnt, sie war für mich kein unangenehmer Kitzel bei den Fahrten.
»Wenn sie eine Gruppe fassen, werden sie die so lange ausquetschen, bis sie unsere Namen haben. Ist dir das klar?«
»Meinen Namen erfahren sie nicht. Und wenn du ihn nicht sagst, dann kennt ihn keiner. Woher auch?«
»Sei da nicht so sicher. Wenn sie sich einen unserer Kunden vornehmen, werden sie sich den Rest zusammenreimen können. Wenn sie es wirklich wollen, kommen sie auf unsere Spur.«
»Ich bin nicht von gestern.«
Es wurden tatsächlich zwei Fahrten im Monat. Die Wochentage wechselten, am häufigsten hatte ich Samstagnacht zu fahren, ich weiß nicht, warum. Ich hatte nun weniger zu tun, aber da der Fahrpreis gestiegen war, kam ich zu meinem Geld. Die Übergabe musste nun auf die Minute pünktlich erfolgen, so dass ich immer eine Stunde zu früh in Berlin einfuhr und in der Umgebung des Treffpunkts herumfuhr oder parkte, bis die Zeit heran war, dass ich zur Malmöer Straße fahren musste. Ich achtete mehr als früher darauf, mit meinen Fahrgästen nicht zu reden und alles zu vermeiden, was sie an mich erinnern konnte. Andrerseits hatten alle, die ich fuhr, meinen Wagen gesehen, und so viele von diesen alten Kutschen fuhren nicht mehr im Land herum, es wäre ein Leichtes, mich an Hand des Adlers zu fassen. Da das eingebaute Versteck in dem doppelten Fußboden nicht mehr gebraucht wurde, denn um Berlin herum gab es keine Kontrollposten mehr, und ich musste keinen Passagier und kein Gepäck dort verstecken, überlegte ich, mir einen anderen Wagen zu kaufen, einen weniger auffälligen, und ich streckte meine Fühler aus, um einen Zweitwagen zu kaufen. Den Adler wollte ich keinesfalls aufgeben, ich wollte ihn für immer behalten, bis zu meinem Lebensende. Den doppelten Boden wollte ich ausbauen, um ihn wieder im Originalzustand zu haben. Ich nahm es mir vor, doch da es nicht dringlich war, schob ich es immer wiederauf, zumal ich im Februar einen alten Wartburg kaufen konnte, an dem es viel zu reparieren gab, um ihn einigermaßen straßentauglich zu machen. Ende März fuhr ich zum ersten Mal mit diesem Auto nach Berlin. Es ging etwas schneller, kostete weniger Benzin, und alles war weniger auffällig. Vor allem musste ich nicht mehr wildfremde Leute in mein Prunkstück einsteigen lassen, die keinerlei Verständnis für meinen Oldtimer aufbrachten und keine Rücksicht nahmen, sondern nur an ihre bevorstehende abenteuerliche Flucht dachten.
Im Mai stellten wir die Berlinfahrten vorübergehend ein. Eine Gruppe von zwölf Leuten war zusammen mit ihrem Schleuser in einem der Kanäle, die nach Westberlin führten, gestellt und verhaftet worden. Sowohl Bernhard wie ich hatten einige dieser Leute gefahren, jedenfalls vermuteten wir das auf Grund der Informationen, die wir der Presse entnahmen und die Bernhard aus Berlin erhielt. Wir hatten in jener Nacht, in der die Gruppe hochgenommen wurde, Kunden nach Berlin gebracht, und Bernhard und ich waren übereingekommen, erst den Ausgang des Prozesses abzuwarten, um sichergehen zu können, dass unsere Namen nicht genannt wurden.
Meinen Bienenbestand hatte ich aufgestockt und besaß nun fünfzig Völker. Jetzt war der alte Wagen vollständig mit Bienenstöcken bestückt, es summte und brummte und brodelte darin, dass es eine Freude war. An manchen Tagen fuhr ich hinaus, stellte das Auto ab und setzte mich dann neben den alten Wagen, um den Bienen zuzusehen und ihrem Gebrumm zu lauschen. Wenn ich mich ganz ruhig verhielt, brauchte ich sie nicht zu fürchten. Sie krabbelten auf meinem Kopf und auf meinen Händen herum, ohne mich zu stechen. Es gefiel mir, Imker zu sein, ich ertappte mich sogar dabei, dass ich mit den Bienen sprach und ihnen gut zuredete, für mich zu arbeiten. Wenn ich in meiner Wohnung saß, und ein Frühjahrsgewitter kam herunter, dachteich an meine Bienen
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