Landnahme
und überlegte sogar, hinauszufahren und nach ihnen zu sehen. Ich tat es letztlich nicht, aber es amüsierte mich, wie besorgt ich um diese Tierchen war. Es machte mir Spaß, mit den Bauern über die Bienen zu reden. Ich versuchte, mich mit ihnen gut zu stellen, ich war darauf angewiesen, dass sie mir halfen, und bat sie, gelegentlich beim Vorbeifahren einen Blick auf den Bienenwagen zu werfen und mich notfalls zu benachrichtigen.
Ende Juni fand der Prozess gegen die dreizehn Leute statt, die man in der Kanalisation gegriffen hatte. Bernhard war sehr besorgt, er fürchtete bis zum Schluss, dass die Kriminalpolizei vor seiner Tür auftauchen würde. Ich war ganz unbesorgt, und tatsächlich blieben wir verschont. Die Leute wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt, achtzehn bis vierundzwanzig Monate, der Schleuser bekam vier Jahre aufgebrummt.
Das also erwartet uns, sagte ich zu Bernhard, und er nickte finster. Dann versuchte er, mich aufzumuntern, als ich zu ihm sagte, dass ich überlege auszusteigen. Er redete auf mich ein und sagte, dass es eine einmalige Chance sei, Geld zu verdienen, viel Geld. Es gelang ihm, meine Bedenken zu zerstreuen. Und ich wollte diesen Verdienst nicht missen, ich brauchte das Geld. Die Bienen allein brachten zu wenig ein. Um davon zu leben, hätte ich mir zweihundert oder dreihundert Völker zulegen müssen, und das wäre in Arbeit ausgeartet. Die Verlockung, weiterhin so leicht und schnell so viel Geld zu verdienen, war stärker als meine Angst.
Vierzehn Tage später hatte ich wieder eine Fahrt nach Berlin, vier Personen, die sich in dem Wartburg drängten und unentwegt darüber sprachen, was sie alles für Sachen anstellen würden, sobald sie über die Grenze waren. Bernhard war wieder mit von der Partie, aber wir fuhren nicht mehr am gleichen Tag. Es gab auch einen neuen Treffpunkt, jetzt hatte ich die Leute in einem Eiscafé in der Karl-Marx-Alleeabzuliefern. Sie wurden wohl nicht mehr durch die Kanalisation gebracht, sondern auf irgendeinem anderen Weg, von dem ich nichts wusste und nichts wissen wollte. Es war für die Leute offenbar inzwischen teurer geworden, aber unser Honorar veränderte sich nicht.
Anderthalb Jahre ging es gut. Es waren ziemlich regelmäßig zwei Fahrten im Monat, sehr selten, ein einziges Mal, waren es drei Fahrten. Das Geld kassierte ich, sobald ich auf dem Parkplatz hinter dem Café ankam, dann brachte ich sie in die Eisdiele, übergab sie dem anderen Mann und verschwand schleunigst. Ich redete mir ein, dadurch ungefährdet zu sein, da ich ja eigentlich nichts anderes machte als irgendein Taxifahrer.
Im Dezember war Schluss. Zwölf Tage vor Weihnachten wurde ich verhaftet. Ich hatte zwei Leute nach Berlin gefahren, ein Ehepaar aus Dresden, die während der gesamten Fahrt darüber diskutierten, ob es richtig sei, was sie vorhätten. Offenbar wollte der Mann nicht weggehen und versuchte bis zum Schluss, seine Frau davon abzubringen. Im Café war mein Mann nicht zu sehen, und ich wartete zehn Minuten mit dem Ehepaar. Dann sagte ich, dass etwas schief gelaufen sei und ich sie zurückbringen würde, denn länger als zehn Minuten sollten wir nicht warten. Als wir das Café verlassen wollten, kam ein Mann auf mich zu und fragte, ob ich auf Artur warten würde. Ich zuckte mit den Schultern und wollte einfach weitergehen, denn ich kannte den Namen meines Mannes nicht, und wir sollten nie irgendwelche Namen fallen lassen. Der Mann ließ sich nicht abwimmeln, er hielt mich auf und zog einen Geldschein aus der Tasche, hielt ihn mir vor die Nase und fragte, ob ich ihm wechseln könne. Es war das vereinbarte Zeichen für Notfälle, und ich glaubte nun, er sei der eingesprungene Ersatzmann, der vor Aufregung den Fehler gemacht habe, einen Namen zu nennen. Ich wies auf das Ehepaar hinter mir und sagte, er könne sie auf der Stelle mitnehmen, und er solledas nächste Mal gefälligst pünktlich sei, denn einen Augenblick später wären wir alle zurückgefahren.
»Warten Sie noch«, sagte er zu mir und lächelte, »Sie können auch gleich mitkommen.«
Im gleichen Moment sprangen fünf oder sechs Männer auf und ergriffen mich und das Ehepaar. Sie brachten uns zu einem kleinen Bus, dessen Fenster zugestrichen waren und schoben und drängten uns grob hinein. In dem Bus saßen wir voneinander getrennt, jeder von uns zwischen zweien der Männer. Der Bus fuhr sehr schnell durch die Stadt, ich hatte keine Ahnung, wohin wir fuhren. Ich ahnte, was die Stunde geschlagen hatte und
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