Landnahme
bemühte mich, gelassen zu bleiben und belustigt. Ich sagte zu den Männern, dass offenbar eine Verwechslung vorliege, ich wüsste nicht, wer sie seien und was sie von mir wollten, auf jeden Fall hätte ich mir nichts zu Schulden kommen lassen. Dann hielt der Bus, wir mussten aussteigen und standen auf einem Innenhof, der von langgestreckten Neubauten umgeben war. Wir wurden in einen der Eingänge gebracht und dort von anderen Männern, die ebenfalls in Zivil waren, übernommen. Auf dem Gang wurden wir getrennt, das Ehepaar sah ich nie wieder, auch nicht bei meinem Prozess. Dann begannen die Verhöre, mehrere Tage lang, ich blieb dabei, dass ich aus Gefälligkeit ein Ehepaar nach Berlin gebracht hätte, welches ich kaum kenne und von dem ich nichts weiter wisse. Wenn das Ehepaar irgendwelche krummen Dinger gemacht hätte, so wüsste ich jedenfalls nichts davon. Bei dieser Taktik blieb ich beim Prozess, und eigentlich konnten sie mir nichts nachweisen, sie hatten ein paar Aussagen von dem Ehepaar und von einem der Männer in Berlin, ich stritt alles ab und empörte mich so sehr, dass ich von der Richterin verwarnt wurde. Belastend waren die zweitausend Mark in meiner Tasche, ich hatte bei der Verhaftung keine überzeugende Erklärung dafür geben können, mir waren erst später gute Antworten eingefallen. Mein Hauptbelastungszeugewar mein Prachtstück, mein Adler, er brachte mir letztlich die Verurteilung ein. Sie hatten in dem Wagen den doppelten Boden entdeckt, den ich längst hatte wieder ausbauen wollen, aber da ich den Wartburg fahrtüchtig machen musste und meine Bienenzucht aufbaute, hatte ich es immer wieder verschoben. Im Prozess wurde dieser doppelte Boden, das Geheimfach, als besonders erschwerender Umstand und als unumstößlicher Beweis gewertet, er brachte mir ein ganzes Jahr zusätzlich ein.
Sie verurteilten mich schließlich zu fünfeinhalb Jahren. Meine beiden Autos wurden als Tatwerkzeuge bezeichnet und eingezogen, auch der Adler. Dagegen protestierte ich lauthals und wurde wieder verwarnt.
In meinem Prozess waren außer mir vier Männer angeklagt, ich hatte einen von ihnen bei den Übergaben gesehen. Ohne jede Verabredung bestritten wir beide bei den Vernehmungen, uns zu kennen, und überstanden die Gegenüberstellung. Zwei der Angeklagten galten als Rädelsführer und bekamen zwei Jahre mehr als ich aufgebrummt. Verraten hatte uns einer, den sie kurz vor uns geschnappt hatten und der ihnen bereitwillig alles erzählte, was er wusste. Bernhard wurde nicht erwischt, sein Name fiel kein einziges Mal, weder im Gerichtssaal noch in den Verhören davor, er hatte Glück.
Die Strafe musste ich voll absitzen. Eine frühere Entlassung wurde abgelehnt, da ich nicht einsichtig sei und keinerlei Reue zeige, wie mir beschieden wurde. Die fünfeinhalb Jahre verbrachte ich in drei verschiedenen Gefängnissen, und die ganze Zeit über hatte ich keinen Besuch. Nur ein einziges Mal wurde ich in den Besucherraum geführt, weil sich jemand gemeldet hatte und mich sehen wollte.
Meine Mutter schrieb mir regelmäßig. Mich im Gefängnis zu besuchen hatte ihr mein Vater verboten. Er erlaubte es ihr nicht, weil weder sie noch er Kontakt mit einem Kriminellenwünschten. Einige Monate lang erwartete ich, dass Bernhard mich besucht oder mir schreibt. Ich hatte gehofft, dass er mir zumindest ein paar Sachen schickt, die man in einer Zelle benötigt, damit sie einem etwas Kraft geben, etwas Hoffnung. Das kann selbst eine Schokolade sein oder eine Zeitschrift mit den neuen Automobilen oder ein Buch, irgendeins, das einem gehört und das man nicht völlig abgegriffen ausleiht und wieder abgeben muss. Es hätte sogar ein Buch mit Gedichten sein können, obwohl ich eigentlich nie lese und Gedichte schon gar nicht.
Ich hatte erwartet, dass Bernhard sich ab und zu um mich kümmert, denn eigentlich saß ich seinetwegen im Gefängnis, jedenfalls redete ich mir das zwei Jahre lang ein. Nur durch ihn war ich zu diesen Fahrten gekommen, und später, als ich nach der Verhaftung der einen Gruppe aussteigen wollte, war er es, der mich überredet hatte weiterzumachen. Ich wollte es damals trotz des vielen Geldes aufgeben, und allein seinetwegen habe ich dann weitergemacht. Daher war ich auf Bernhard nicht gut zu sprechen, als er sich überhaupt nicht um mich kümmerte. Ich sagte mir, wenn ich seinen Namen in den Verhören oder vor Gericht hätte fallen lassen, wären das Pluspunkte für mich gewesen, ein deutliches Zeichen der Reue, die
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