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Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
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komm zurecht mit ihm.«
    »Ja. Also, wie gesagt, Haber oder ich. Gib mir Bescheid, wenn ihr ihn aus dem Kegelklub rausgeworfen habt. Du weißt ja, ich kegle gern.«
    Ich hatte nicht vor, mit den anderen darüber zu sprechen, mir lag nichts daran, Haber aus dem Klub zu werfen. Es gabkeinen Grund dafür, und ich kam gut mit ihm zurecht, doch Beuchler hatte offenbar auch die anderen Aufrechten darauf angesprochen. Am Freitagabend jedenfalls war die Stimmung schlecht, alle redeten über den abwesenden Beuchler und seine abgebrannte Werkstatt. Bei allen war Angst zu spüren. Da nicht ein einziger der Brände in den letzten Jahren aufgeklärt worden war, fürchtete man sich vor dem nächsten Brand, der möglicherweise die eigene Firma treffen könnte. Alle waren der Ansicht, dass es ein einziger Täter sein musste, ein Feuerteufel, der daran einen abartigen Spaß hatte.
    Ich kam selbst ins Grübeln und schaffte mir nach dem Brand bei Beuchler einen Schäferhund an, einen Rüden aus der Zucht von unserem Schäfer, der eine Hand für Hunde hatte. Der Rüde war ein knappes Jahr alt und parierte aufs Wort. Tagsüber kam er in einen Käfig, und über Nacht ließ ich ihn an einer langen Kette auf dem Sägeplatz herumlaufen. Wenn er sich an mich gewöhnt hätte, in ein paar Wochen, wollte ich ihn frei laufen lassen. Zu der Zeit arbeiteten außer dem alten Heiner, der schon bei Vater auf dem Platz war, zwei junge Männer bei mir, die ich für die Saison eingestellt hatte. Von den dreien ließ ich den Zaun um den Sägeplatz ergänzen, denn bislang gab es nur einen Drahtzaun an den beiden Seiten, die an den Straßen lagen. Zum Pfuhl und zum Wäldchen hin war bei Vater und Großvater immer alles offen gewesen, sie hatten noch keinen scharfen Hund nötig gehabt. In der Kaiserzeit und bei Hitler hatte man solche Sorgen nicht. Zu der Zeit gab es einiges, was nicht in Ordnung war, was überhaupt nicht in Ordnung war. In der Schule hatten wir einiges darüber gehört, und in der Zeitung stand viel über die vergangene Zeit und wie es heutzutage alles besser geworden sei. Aber damals gab es mehr Ordnung als heutzutage, jedenfalls für uns Geschäftsleute, die sich in die Politik nicht einmischen wollten. Man war seines Lebens sicher, und das Eigentum wurde besser geschützt.
    Ich erzählte von meinem Hund und dass ich schon immer am Abend oder auch in der Nacht beim Sägeplatz vorbeischauen würde, und irgendjemand machte den Vorschlag, dass wir es organisiert machen sollten, eine Art Bürgerwehr. Jede Nacht sollte einer von uns bei unseren Geschäften und Firmen vorbeilaufen und nach dem Rechten sehen, doch dafür gab es keine Mehrheit. Die Ladenbesitzer wollten stattdessen neue Rollos einsetzen lassen, und Pichler sagte, dass er jeden Tag erst nach Mitternacht Feierabend habe und dann froh sei, ins Bett zu gehen und nicht auf einen Stadtrundgang.
    Haber äußerte sich nicht dazu. Er stand an der Bahn und schien sich für nichts mehr zu interessieren als für die umfallenden Kegel, und da kein anderer sich am Spiel beteiligte, ließ er eine Kugel nach der anderen laufen und wartete dann gespannt darauf, wo sie am Ende der Bahn ankamen. Halblaut erzählte dann Grebe vom Modegeschäft am Markt, dass Beuchler bei ihm erschienen sei und verlangt habe, Haber aus unserem Kegelklub rauszuschmeißen. Beuchler jedenfalls würde nicht eher hier wieder erscheinen. Ein paar nickten und gaben zu erkennen, dass sie mit Beuchler gesprochen hätten. Wir sahen nun alle zu Haber rüber und schauten ihm zu, wie er unverdrossen Kugeln laufen ließ, als wollte er sich für einen Wettkampf vorbereiten. Ich denke, in dem Moment ging uns allen das Gleiche durch den Kopf. War es denkbar, dass Bernhard Haber der Feuerteufel war? War es vorstellbar, dass einer von uns, ein erfolgreicher und gut situierter Geschäftsmann nachts durch die Stadt zog, um die Werkstatt eines Rivalen in Flammen aufgehen zu lassen? Natürlich sind Konkurrenten unangenehm, und man wünscht sie zum Teufel. Ein zweites Sägewerk in Guldenberg, und ich könnte einpacken oder müsste den Gürtel jedenfalls enger stellen, sehr viel enger. Aber dass man einen Konkurrenten verwünscht, bedeutet nicht, dass man sein Geschäft vernichtet. Irgendwomusste ich Beuchler Recht geben, es hatte sich in unserer Stadt einiges verändert. Vielleicht durch den Krieg, der schwer war, oder durch die Nachkriegszeit, unter der unsere Stadt mehr und länger gelitten hatte, denn der Krieg war nur für eine Stunde

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