Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Landnahme

Landnahme

Titel: Landnahme Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Christoph Hein
Vom Netzwerk:
einer von uns, auch wenn er nur ein Vertriebener war. Wer es nicht wusste, konnte ihm jedenfalls nichts anmerken.
    Er besaß seine Werkstatt zwei Jahre und war eben dabei, seine Meisterprüfung in der Kreisstadt abzulegen, als er uns an einem Freitagabend mit der Mitteilung überraschte, dass es bei ihm einen Brandanschlag gegeben habe. Wir saßen an dem langen Tisch, der am oberen Ende der Kegelbahn aufgestellt war, tranken unser Bier und begannen gerade auszurechnen, was jeder zu bezahlen oder zu bekommen hatte, denn wir kegelten immer um Geld, als Haber sagte: »Einem in der Stadt gefällt meine Werkstatt nicht. Habt ihr eine Ahnung, wer das sein könnte?«
    Er sah dabei Beuchler an, Beuchler funkelte ihn an, und ich hatte das Gefühl, die beiden Männer würden gleich aufstehen und sich prügeln. Haber hatte den Satz sehr ruhig gesagt, nachdrücklich Wort für Wort betont, so dass sofort alle aufmerkten. Keiner sagte etwas, alle sahen ihn an und warteten. Beuchler kniff die Augen zusammen und starrte ihn finster an. Irgendwann fragte jemand, um was es eigentlich gehe, doch keiner antwortete ihm. Schließlich sagte Beuchler: »Mir gefällt deine Werkstatt.«
    »Besser als deine ist sie, das meine ich auch. Ist kein Grund, sie abzufackeln.«
    Beuchler stand auf und brüllte etwas, sein Nebenmann zog ihn auf den Stuhl zurück, und alle wollten von Haber wissen, was er eigentlich sagen wolle, denn es habe schließlich keinen Brand gegeben, weder bei ihm noch sonstwo in der Stadt. Haber nickte und sagte, einen Brand habe es nicht gegeben, aber einen Brandanschlag, und dann erzählte er, dass er am Morgen eine zerborstene Bierflasche in seiner Werkstatt gefunden habe, eine Bierflasche, in der zuvor Benzin gewesen war und ein verkohlter Lappen. Irgendjemand, und Haber sah wieder Beuchler an, habe sie durch eins der Fenster geworfen, sie sei auf einem Bretterstapel gelandet, von da auf die Furnierpresse gerollt und dort explodiert. Auf dem Metall gebe es Brandspuren, die Furniere in der Presse seien verkohlt, hätten sich zum Glück jedoch nicht entzündet. Wäre die Flasche einen halben Meter weiter gelandet oder von der Presse heruntergerollt, seine ganze Werkstatt wäre abgebrannt. Er habe das Holz in der Werkstatt zwar imprägniert, aber das hätte wohl nichts geholfen, wenn das Benzin sich darüber ergossen hätte. Beuchler fragte erregt, ob er ihn verdächtige und was für Beweise er habe, und Haber erwiderte, er habe keine Beweise, und die Polizei habe nichts Brauchbares entdeckt, er würde jeden verdächtigen.
    Nun protestierten die anderen und sagten, er solle aufpassen, was er daherrede. Wenn es einen Brandanschlag gegeben habe, sei das schlimm, und die Polizei sollte alles genauestens untersuchen. Aber ehrliche Menschen zu verdächtigen, das sei ebenso schlimm wie Brandstiftung, und er solle auf seine Worte achten. Pichler fasste ihn bereits am Jackettaufschlag, viel fehlte nicht, und der Kegelabend wäre in einer Prügelei geendet. Ich trennte Pichler und Haber, fasste Bernhard dann an beiden Armen und drückte ihn auf seinen Stuhl zurück. Erst nachdem ich mit der Faustzweimal auf den Tisch geschlagen hatte und laut geworden war, kehrte Ruhe ein.
    »Wie die Kinder«, brüllte ich. Und als sich alle wieder hingesetzt hatten, sagte ich: »Und nun zu dir, Bernhard. Wer hat die Benzinflasche in die Werkstatt geworfen, weißt du es?«
    »Nein.«
    »Dann denk dreimal nach, bevor du den Mund aufmachst. In diesem Zimmer ist keiner, der mit Benzinflaschen um sich wirft.«
    »Einer hat sie geworfen.«
    »Keiner von uns.«
    »Ich werde nicht wie mein Vater enden. Das schwöre ich euch.«
    »Soll das eine Drohung sein, Bernhard?«
    »Ich sage nur, wie es ist. Ich habe zwei Hände, und ich fasse den Kerl.«
    »Schön. Und dann übergibst du ihn der Polizei. Alles nach Recht und Ordnung. Aber bevor du den Banditen geschnappt hast, hältst du den Mund und verdächtigst nicht ehrbare Leute. Hast du verstanden?«
    Kegeln wollte an diesem Abend keiner mehr. Die meisten tranken ihr Bier aus und verabschiedeten sich. Als Bernhard aufstand, um zu gehen, sagte ich, er möge einen Moment warten, wir könnten zusammen heimgehen.
    Wir waren schon fast an meinem Haus angelangt, als Bernhard endlich den Mund aufmachte. »Danke«, sagte er, ohne mich anzuschauen.
    »Ist schon gut.«
    »Aber ich bin trotzdem sicher, dass Beuchler dahinter steckt. Meine Tischlerei ist einfach zu erfolgreich.«
    »Das mag manchen stören. Ist jedoch noch

Weitere Kostenlose Bücher