Landnahme
natürlich.«
»Haber ist dabei. Wir werfen keinen aus dem Klub, das weißt du.«
»Haber oder ich, da müsst ihr euch entscheiden.«
»Sei vernünftig.«
»Haber oder ich. Wir hätten ihn überhaupt nicht aufnehmen sollen. Es sind andere Leute, die Vertriebenen, die sind nicht wie wir.«
»Er lebt schon sein Leben lang bei uns.«
»Das bedeutet nichts, Sigurd, das steckt im Blut. Die gehören einfach nicht hierher.«
»Du glaubst, Haber hat deine Werkstatt ...«
»Was ich glaube, ist das eine. Was ich weiß, ist das andere. Und das zählt.«
»Und was weißt du?«
»Ich werde in einem Jahr sechzig, dann bin ich ein alter Mann. Und ich begreife, was ich früher nicht verstanden habe, worüber ich gelacht habe, nämlich dass wir alle einen Platz auf dieser Erde haben. Wir haben einen Platz zugewiesen bekommen, und der gehört zu uns und wir zu ihm. Und wenn man diesen Platz aufgibt, dann gehört man nirgendwo hin, so ist nun mal diese Welt. Und dieser Platz hat etwasmit der Geburt zu tun. Wo du geboren wurdest, da ist deine Heimat, und nur dort bist du daheim. Und wenn du diesen Platz verlässt, dann gibst du deine Heimat auf. Dann kannst du vielleicht in deinem Leben viel erreichen, vielleicht mehr, als wenn du nicht weggegangen wärst. Aber deine Heimat hast du verloren. Das merkt man erst, wenn man so alt geworden ist wie ich. Früher habe ich darüber gelacht. Ich habe nicht verstanden, warum sich unsere Eltern gegen die Umsiedler stellten. Jetzt weiß ich es, und ich weiß, sie hatten Recht.«
»Wo sollten sie hin, diese Leute?«
»Das ist etwas anderes, Sigurd. Wohin sie hätten gehen sollen, weiß ich nicht. Doch ich meine, sie hatten und haben nicht das Recht, anderen Leuten ihre Heimat zu nehmen, nur weil man ihnen ihre Heimat nahm. Guldenberg ist seit dem Krieg nicht mehr das Guldenberg, in dem ich geboren wurde, ist nicht mehr unsere Stadt. Hier hat es nie so viel gebrannt, wie seit der Zeit, als diese Flüchtlinge ankamen. Nicht einmal im Krieg hatten wir so viele Brände. Damals gehörten wir noch alle zusammen. Das ist vorbei, das hat sich geändert. Es sind zu viele Fremde. Zu viele, die hier nicht geboren wurden und nicht hierher gehören.«
»Vielleicht hast du Recht, Reinhard. Aber wir leben nun einmal in einer anderen Zeit und müssen damit zurechtkommen. Und Haber ist kein schlechter Kerl. Er ist nicht allzu umgänglich, ein sturer Rappelkopf, der sich immer und überall durchsetzen will, doch man kann sich auf ihn verlassen. Da ist er nicht schlechter als ein Einheimischer. Er hat sich eingefügt, er ist ein Guldenberger.«
Beuchler schüttelte den Kopf. »Du kannst mich nicht verstehen, oder du willst es nicht. Wie auch immer, Brände jedenfalls, das kannten wir vorher nicht.«
»War es Brandstiftung?«
»Ja. Das ist schon sicher, sagt die Kripo.«
»Dann warte ab, was die Polizei herausfinden wird.«
»Was wird sie finden? Genau das, was sie immer herausgefunden hat. Nichts.«
»Woher willst du wissen, dass es einer von den Umsiedlern war. Bei Habers hatte es ebenso gebrannt, bei dem alten Haber damals und bei dem jungen voriges Jahr.«
»So heißt es. Aber keiner kann genau sagen, wer es damals war. Vielleicht waren sie es selber, wer weiß. Der alte Haber konnte eine Tischlerei gar nicht führen. Mit einem Arm, Sigurd! Ihm wird die Versicherungssumme besser gefallen haben. Und der junge Haber, ach Gott, wer weiß, warum da etwas gebrannt hat. Oder vielmehr nicht gebrannt hat. Ist es nicht merkwürdig, wenn eine brennende Benzinflasche keinen Schaden anrichtet? In einer Tischlerei? Wo überall Holz und Späne herumliegen? Seltsame Zufälle, meinst du nicht auch? Das würde ich untersuchen, wenn ich bei der Kripo wäre. Wieso brannte es bei ihm nicht? Irgendetwas stimmt da nicht. Nein, Junge, es ist alles anders, als du denkst. Diesen Leuten bedeutet ein Brand nichts. Es ist nicht ihre Stadt, die sie gefährden. Ihnen ist es egal, was dabei kaputtgehen kann. Ihnen fehlt das Herz für die Stadt, schließlich sind sie zufällig hier gelandet und können jederzeit weiterziehen. Wie die Zigeuner. Die Stadt, die Kirche, die Burg, unser Kurpark, die alten Straßen, all das, an dem unser Herz hängt, für sie bedeutet das alles nichts. Glaub mir, es sind Fremde, und es bleiben Fremde. Auf die kannst du nicht bauen. Sei kein Kindskopf, Sigurd, verlass dich nicht auf diese Leute.«
»Bernhard Haber ist mein Nachbar, Reinhard.«
»Jaja. Du konntest ihn dir nicht aussuchen.«
»Ich
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