Landpartie mit drei Damen
Planänderung war vollkommen nutzlos gewesen, denn ebenjene Leute, die sie nicht in ihrem Haus sehen wollte, waren eifrig dabei, am Parktor ihr Eintrittsgeld zu entrichten. Sie wollten nicht nur das Kostümfest erleben, das mit so ungewöhnlichen Worten angekündigt worden war, die meisten brannten auch schon lange darauf, Eugenia zu sehen, die unbekannte Erbin, sowie die inzwischen fast legendären Schönheiten von Chalford House. Blitzende Limousinen rollten, eine nach der anderen, die Auffahrt hinauf und wurden von Parteigenossen zu einem matschigen Parkplatz dirigiert, wo ihnen die in Verruf geratene Elite der Umgebung entstieg. Alle lachten und plauderten und riefen, dass das Haus ein Traum sei und ob man Eugenia wohl sehen werde; die Bürde der Schande wog leicht auf ihren Schultern – sie wären überrascht gewesen, wenn sie von der heftigen Abneigung gewusst hätten, die Lady Chalford ihnen gegenüber hegte.
Es ging auf drei Uhr zu. Mrs Lace, ganz im Stil von 1927 in ihrem goldschimmernden Kleid und mit ihrer Perücke aus Büroklammern, war schon längst mit Mr Wilkins an einem Ort hinter dem Küchengarten verschwunden, wo die königliche Kutsche auf sie wartete. Das Empfangskomitee hatte würdevoll vor dem Hauptportal Aufstellung genommen und war bereit, den Herrscher und seine Gemahlin mit eleganten Verbeugungen und Knicksen zu begrüßen; Beau Brummels, Scarlet Pimpernels und Lady Teezles säumten die Auffahrt, so weit der Blick reichte, fest entschlossen, eine getreue historische Szene aufzuführen. Die Menge der Zuschauer hatte unverhoffte Ausmaße angenommen.
Erwartungsvolle Stille legte sich über die Menge.
»Etwas Schreckliches wird passieren«, sagte Jasper unruhig. »Ich weiß es.«
Endlich waren laute Rufe zu hören, die Kutsche war offensichtlich losgefahren. Eine Welle der Erregung erfasste die Menge, alle reckten den Hals, um die Ankunft zu verfolgen, alle holten tief Luft, um in den aufbrandenden Jubel einzustimmen, doch plötzlich stockte diese Bewegung, verlor an Entschlossenheit und erstarb. Eine Art Donner war nun zu hören, dazu schrecklich lautes Geschrei, und im nächsten Moment kam die Kutsche in Sicht, die Pferde in vollem Galopp, offensichtlich nicht mehr zu halten. Mrs Lace schrie und versuchte, durch ein Fenster ins Freie zu gelangen, wurde aber von Mr Wilkins entschlossen daran gehindert. Beide hatten ihre Perücken verloren.
Die Menge stob auseinander. Kutsche und Pferde donnerten auf Chalford House zu, mussten unweigerlich an die Mauer krachen, doch da stieg Mr Wilkins plötzlich, nachdem er Mrs Lace zu Boden geworfen hatte, aus dem Fenster und kletterte auf den Kutschbock, wo er Lady Chalfords greisem Pferdeknecht die Zügel aus der zitternden Hand riss. Im nächsten Moment gelang es ihm, Vivian Jackson und dessen Gefährten auf den Rasen zu lenken. Die Kutsche schwankte kurz hin und her und stürzte dann um. Beide Pferde blieben stehen. Die Kameraden liefen herbei, zogen die hysterische Mrs Lace heraus und trugen den Pferdeknecht, der sich offenbar eine Gehirnerschütterung zugezogen hatte, auf einer improvisierten Trage davon. Lady Marjorie, außer sich vor Liebe und Bewunderung, beschwor ihren Helden, ihr zu versichern, dass er noch am Leben sei, was er sehr energisch tat. Eugenia schluchzte am Hals ihres Pferds. »Liebster, liebster Vivian Jackson, du darfst mich nie mehr so erschrecken. Du hättest sterben können. Hast du dir auch wirklich nichts getan?« Sie tastete seine Beine ab, eines nach dem anderen, und führte ihn dann zu seiner Box.
»Komische Geschichte«, sagte Mr Wilkins zu Jasper. »Einer von diesen Jungs aus Rackenbridge, der Name fällt mir nicht mehr ein, hat alles ausgelöst. Sprang aus der Menge hervor und schwenkte eine gelbe Fahne, komplett idiotisch, die Pferde hätten leicht durchgehen können.«
Mrs Lace wurde ins Haus gebracht. Ihr goldenes Gewand war an mehreren Stellen zerrissen, ihre Perücke völlig ruiniert, sie selbst aber war unverletzt. Sie tröstete sich mit einem gespielten hysterischen Anfall, bis Major Lace sie energisch schüttelte, woraufhin sie ihre Gesichtszüge wieder ordnete, sich von der liebenswürdigen Miss Trant eine Baumwollperücke auslieh und ihren Platz an der Seite von Mr Wilkins einnahm.
Derweil ging das Kostümfest weiter, als wäre nichts Ungewöhnliches vorgefallen. Mr Wilkins, der sein Zittern grandios ignorierte, erinnerte sich besser denn je an den Text seiner Ansprachen und spielte seinen
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